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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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wahrscheinlich den abziehenden Dakota folgen und feststellen, ob keiner umkehrte. Andere waren auf den Grasbuckeln im Haupttal unten zu sehen; es schien, daß sie den Häuptling absichtlich auf sich aufmerksam machten, ehe sie sich duckten. Er sollte wissen, daß ihm der Fluchtweg nach dieser Seite abgeschnitten sei.
    Tokei-ihto »aß« den Rauch seiner Pfeife.
    Die lange Reihe der Reiter südlich der Anhöhe kam im Schritt näher. In einer gewissen Entfernung vor der Anhöhe, deren höchste Erhebung Tokei-ihto innehatte, teilte sie sich. Die Flügel rechts und links lösten sich ab und bildeten östlich und westlich der langgestreckten Anhöhe zwei weit auseinandergezogene Reihen bis zum Hochufer des Stromtals.
    Fred Clarke selbst ließ sich noch nirgends sehen. Vielleicht wollte er den Kampf erst im Sonnenaufgang eröffnen, wenn das Tageslicht der Übermacht noch mehr Vorteil bot. Tokei-ihto war entschlossen, den Vorbereitungen seiner Feinde nicht so lange zuzusehen. Wenn Red Fox sich nicht vor Ablauf der Nacht stellte, so wollte er ihn durch einen gespielten Fluchtversuch aus seiner Zurückhaltung herausholen.
    Aus der Linie im Süden ritten fünf Reiter gegen die Anhöhe vor. Sie ritten im Galopp, einer hinter dem anderen; ihre Schatten flogen mit ihnen, und die Hufe tönten dumpf auf dem Grasland. Der vorderste der Reiter war zwei Pferdelängen voraus. Auch Tokei-ihtos scharfes und nachtgewohntes Auge konnte noch kaum Einzelheiten erkennen. Aber er wußte doch, wer dieser Reiter war.
    Der Dakota klopfte seine Pfeife aus und befestigte sie an ihrer ledernen Schnur.
    Red Fox kam.
    Mit seinen Begleitern schien er dem von Tokei-ihto weit entfernten südlichen Ende der Anhöhe zuzustreben. Als Red Fox und seine vier Mann den Fuß des Hügels erreichten, entschwanden sie dem Gesichtskreis des Häuptlings. Die Augen Tokei-ihtos aber ließen jenen Strich nicht los, an dem der Feind wieder auftauchen mußte, wenn er die Anhöhe erklomm. Wenn …
    Es gab nichts, was Red Fox zwingen konnte, den gefährlichen Zweikampf aufzunehmen. Aber der Häuptling rechnete mit dem Haß, den er bei dem letzten Zusammentreffen in den Augen seines Feindes hatte schillern sehen, dem Haß des Verbrechers. Von den Gerichten der weißen Männer hatte Red Fox nichts zu befürchten. Er wollte jetzt den einzigen beseitigen, der seine Taten bestrafen konnte und entschlossen war, das zu tun: Tokei-ihto, Mattotaupas Sohn.
    Red Fox gewann zu Pferde die Anhöhe. Die Krempe seines Hutes erschien zugleich mit den Pferdeohren über dem Rand des Hügelrückens; seine mächtige, breitschultrige Gestalt hob sich Zoll um Zoll in das Bild herein. Der Häuptling glaubte zu sehen, wie er mit der Rechten die Reitpeitsche hob und damit zuschlug. Das empfindliche Pferd sprang erschreckt vor und galoppierte über den Höhenrücken.
    Der Reiter hatte die Peitsche wieder hängen und den Zügel fahrenlassen, um die Büchse an die Wange zu nehmen. Er beugte sich zurück und hob den Lauf zum Himmel. Der Schuß krachte laut in die nächtliche Weite hinauf. Es war ein feindlicher Gruß.
    Der Dakota hatte seine Büchse nicht bei sich. Seine Patronen waren verschossen in den Stunden, in denen er das Boot mit den Bärenknaben über den Strom gebracht hatte.
    Das war nun die erste Entscheidung in dem kommenden Kampf, ob es Tokei-ihto gelang, den Feind in die Reichweite irgendeiner seiner Waffen zu bekommen, ehe ihn selbst die Kugel traf. Der Häuptling hatte seinen sagenumwobenen beinernen Bogen und den Köcher mit einem dicken Bündel Pfeile bei sich. Er konnte bei seiner vollständigen Vertrautheit mit der Waffe, mit seinen scharfen Augen und seinen ruhigen Händen selbst bei Mondschein ein gutes Ziel auf große Entfernung treffen. Aber die Büchse des Red Fox trug weiter. Ob sie auch weiter traf? Der Dakota kannte die Fähigkeiten seines Gegners sehr genau aus der Zeit, in der er mit ihm zusammen geritten war, und er unterschätzte sie nicht.
    Red Fox war im Galopp über den Hügelrücken herangekommen. Kurz ehe er in den Bereich eines Pfeilschusses gelangte, bremste er sein Tier mit einem herausfordernden Schrei, der zu Tokei-ihto herüberklang.
    Der Dakota antwortete ihm nicht.
    Weit zurück hinter Red Fox erschienen die vier Reiter, die er erst am Fuß der Anhöhe zurückgelassen hatte. Auch sie waren jetzt mit ihren Tieren auf das südliche Ende der Anhöhe heraufgekommen, stiegen ab, brachten ihre Pferde dazu, sich hinzulegen, und verbargen sich im Schutz der

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