Über den Missouri
seines langen Lebens. Auch die Männer, Frauen und Kinder schwiegen, sie schwiegen im Entsetzen über den Verrat eines Mannes, an den sie geglaubt hatten.
»Sucht Holz für mich«, sagte der Alte.
Die Männer und Frauen gehorchten und errichteten einen neuen Scheiterhaufen. Ohne ein weiteres Wort erstieg Hawandschita ihn, verhüllte sein Gesicht mit einer Büffeldecke und erwartete so den Rauch und die Flammen, die rings um ihn aufzüngelten. Kein Klagegesang erschallte um ihn, und er selbst ließ keinen Klagelaut hören. Er hatte sich selbst gerichtet. Schweigend warteten alle, bis die Flammen wieder erloschen. Der alte Zauberer war Asche geworden.
Als es wieder Morgen wurde und die Sonne mit ihrem hellgoldenen Licht über Himmel und Erde leuchtete, ging jeder an seine Arbeit. Nur Tschetansapa war nirgends zu sehen.
»Er sucht Chef de Loup«, sagte Thomas zu den Bärenknaben. »Er ist in den Wald hinaufgegangen.«
Hapedah und Tschaske senkten die Köpfe. Die ganze Ungewißheit über Tokei-ihtos Schicksal brach wieder bedrückend in ihr Bewußtsein ein und zugleich der Kummer über die Schuld des Delawaren.
Gegen Mittag kam Tschetansapa zurück. Er rief seine beiden Söhne zu sich. »Geht hinauf in den Wald, immer geradeaus«, wies er sie an. »Ihr findet Schunktoketscha, den Delawaren, der unser Bruder ist. Er hat sich selbst schwere Wunden zugefügt, um zu sühnen. Ich habe ihm gesagt, daß Hawandschita uns betrog und daß dieser Mann des falschen Zaubers im Feuer gestorben ist. Ich habe den Delawaren überredet, daß er Speise und Trank zu sich nimmt, bis wir wissen werden, ob Tokei-ihto Sieger oder tot ist. Geht hin und bringt ihm Wasser und unseren letzten Pemmikan. Wenn Tokei-ihto lebend zu uns zurückkehrt und ihm seine Schuld abnimmt, will Schunktoketscha leben, sonst aber ist er entschlossen zu sterben.«
Die großen Feinde
In der Nacht, in der der Wanderzug den Missouri überschritten hatte, war Tokei-ihto am Südufer des Stromes zurückgeblieben. Er hatte sich zu jener Stunde als Standplatz eine nach allen Seiten sichtbare Stelle gewählt: über der Bucht, in der Frauen und Kinder so lange gelagert hatten, auf der Kuppe am Beginn des Hügelrückens, der sich südwestlich in die Prärie hinausschob.
Wie die Feinde ihn, so konnte er die Feinde von hier aus in dem offenen Gelände in allen ihren Bewegungen beobachten. Die Kuppe hatte oben auf ihrem Scheitel eine flache Einsenkung, so als ob ein Riese ihr mit seinem Daumen den Schädel eingedrückt habe. Diese Einsenkung war lehmig, feucht und graslos. Der Häuptling kannte diese Mulde sehr genau. Er hatte sie noch vertiefen lassen. Ihre Ränder waren mit Blumen und kräftigen Gräsern bewachsen; am Westrand lag ein Baumstamm mit etwas Laubwerk, den die Männer der Bärenbande vom Stromufer geholt und hier als Deckung benutzt hatten.
Der Mond war kurz vor Mitternacht aufgegangen und stand als Dreiviertelscheibe am Himmel. Licht und Schatten schieden sich haarscharf. Der ganze Westhang des Hügelrückens und die gegen Norden gelegenen Uferhänge des Stromtales und der Bucht lagen in tiefem Dunkel. Der abziehende Wanderzug aber jenseits des großen Tales wurde von der milden Helligkeit des Mondes beleuchtet. Tokei-ihto hatte ihn in allen seinen Bewegungen verfolgen können, bis er seinen Blicken ganz entschwand.
Der Häuptling machte seine Pfeife los, stopfte sie und brachte sie zum Brennen. Nach seiner Berechnung hatte er vor dem Kampf noch ausreichend Zeit zum Rauchen. Der sechste Tag, von dem er zu Fred Clarke gesprochen hatte, brach eben an, wenn man nach der Zeitrechnung der weißen Männer ging, die einen Tag in der Mitte der Nacht anfangen ließen.
Fred Clarke hatte bei Tokei-ihtos Worten wahrscheinlich an den indianischen Tag der Prärie gedacht, der sich mit der Sonne erhob; aber das war sein Fehler gewesen. Er konnte sich nicht beklagen, wenn der Dakota in der Abrede mit einem Watschitschun auch wie ein Watschitschun rechnete. Tokei-ihto war von der ersten Stunde des Tages an allein bei der Anhöhe.
Er hatte Wort gehalten.
Auch Fred Clarke und seine Gesellen schienen Wort zu halten, weil ihr Vorteil dabei groß war. Niemand machte Miene, den Wanderzug anzugreifen. Der Dakota beobachtete von seinem Platz aus nur, daß Kundschafter ins Tal hinunterhuschten. Einige davon schwammen über den Strom; in dem im Mondenschein schillernden Wasser war für ein geübtes Auge die Bewegung zu erkennen.
Diese Späher sollten
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