Über den Wassern
spillerig wie die Riesenkrebse, die Lawler hin und wieder zimperlich über den Grund der Sorve-Bucht hatte staksen sehen: eine blasse Schale aus laminierten Bändern des allerleichtesten Holzes, mit Tretpedalen versehen, mit Schwimmpontons, Auslegern unter Wasser für den Auftrieb und einem High-Efficiency-Antrieb. Auf der Außenhaut wuchs eine Schicht lebender Schleim-Mikroorganismen, um die Reibungsverluste zu minimieren.
Dann Henders begleitete Lawler diesmal. Der Gleiter wurde an Davits ins Wasser gelassen, und sie mußten an Tauen zu ihm hinabklettern. Lawlers Füße befanden sich wenige Zentimeter über dem Meer, als er sich in den vorderen der zwei Sitze des Gleiters setzte. In der sanften Dünung tanzte das zerbrechliche Fahrzeug leicht auf und ab. Lawler hatte das Gefühl, daß nur eine dünne Haut ihn gegen den gähnenden Abgrund abschirmte. Er malte sich aus, daß aus der Tiefe Greifarme zu ihm heraufwuchsen, daß ihn aus den Wellen höhnische tellergroße Augen anstarrten, daß silberblitzende Mäuler sich auftäten, um zuzubeißen.
Henders setzte sich hinter ihn. »Fertig, Doc? Dann los!«
Mit aller Kraft die Pedale tretend, waren beide gerade stark genug, den Gleiter auf Abhubgeschwindigkeit zu bringen. Die ersten Augenblicke waren die schwersten. Sobald sie etwas Tempo hatten, hob sich die Oberschicht der Hydrofolien über das Wasser, was die Reibung verringerte, und auf dem schmaleren, kleineren darunterliegenden Gleiterpaar kamen sie dann rasch voran.
Allerdings durften sie das Trettempo nicht verringern. Wie alle Schnellschiffe mußte auch der Gleiter ununterbrochen durch seine eigene Bugwelle steigen; wenn sie das Tempo auch nur einen Augenblick lang verminderten, würde der Sog sie nach unten ziehen. Aber auf der kurzen Fahrt glitschten keine Tentakeln auf sie zu, und keine zähnestarrenden Kiefer knabberten an ihren Zehen. Hilfreiche Taue erwarteten sie und hievten sie an Deck der Sorve Goddess.
Die Clavicularfraktur war Nimber Tanamind, ein hervorragender Hypochonder, dessen Beschwerden diesmal ausnahmsweise und unzweideutig echt waren. Ein herabkommender Baum hatte ihm das linke Schlüsselbein angebrochen, und die ganze obere Partie seines stämmigen Torsos war blau und geschwollen. Und ausnahmsweise jammerte Nimber diesmal auch überhaupt nicht. Vielleicht war es der Schock, vielleicht Angst, vielleicht betäubte ihn der Schmerz; er hockte jedenfalls still an einem Haufen von Netzen, sah wie betäubt aus, die Augen verdreht, die Arme zuckten, die Finger bewegten sich seltsam unkontrolliert. Brondo Katzin und sein Weib, Eliyana, standen bei ihm, und Nimbers eigenes Weib, Salai, stapfte in der Nähe unruhig auf und ab.
»Nimber«, sagte Lawler mit einigem Mitgefühl. Sie waren fast gleichaltrig. »Du verdammter Idiot. Nimber, was hast du denn diesmal mit dir angestellt?«
Tanamind hob ein wenig den Kopf. Er wirkte ängstlich. Er sprach nicht, befeuchtete sich nur mit der Zunge die Lippen. Schweiß schimmerte auf seiner Stirn, obwohl der Tag kühl war.
»Wann ist das passiert?« fragte Lawler Bamber Cadrell.
»Vor etwa ‘ner halben Stunde«, antwortete der Kapitän.
»Und er war die ganze Zeit bei Bewußtsein?«
»Ja.«
»Habt ihr ihm irgendwas gegeben? Ein Beruhigungsmittel?«
»Nur ein bißchen Schnaps«, sagte Cadrell.
»Gut. Also fangen wir an. Legt ihn flach auf den Rücken... - ja, genau so, ganz flach ausstrecken. Gibt’s hier ein Kissen oder so was, das wir ihm unterlegen können? Hier, genau zwischen die Schulterblätter.« Er holte ein Tütchen mit Schmerzpulver aus seiner Bereitschaftstasche. »Wasser, damit ich das auflösen kann! Und ich brauche auch ein paar Tuchkompressen. Eliyana? Etwa so lang, und mach sie in Wasser heiß...«
Nimber stöhnte nur einmal, als Lawler ihm die Schultern dehnte, damit das Schlüsselbein sich biegen und der Knochen wieder in die richtige Stellung kommen konnte. Dann schloß er die Augen und schien sich in eine Meditation zu versenken, während Lawler die Schwellung zu reduzieren und gleichzeitig Nimbers Arm zu immobilisieren versuchte, damit er die Fraktur nicht wieder öffnete.
»Gebt ihm noch einen Schluck Schnaps«, befahl er, als er fertig war. Und zu Nimbers Frau: »Salai, von jetzt an wirst du der Arzt sein müssen. Sollte er Fieber bekommen, gibst du ihm eins davon morgens und abends. Sollte sein Gesicht auf dieser Seite anschwellen, ruft mich. Sollte er über eine Taubheit in den Fingern klagen, ruft mich gleichfalls. Alle
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