Über den Wassern
und vom Rand der großen schwarzen Gewitterwolke, die nun genau südlich von den Schiffen hing, fuhren kleine züngelnde Blitze. Das Meer nahm mehr und mehr das wilde Aussehen an, das es während des Dreitagesturms gehabt hatte. »Hör zu, wir haben jetzt keine Zeit, darüber zu reden. Aber Delagard hat sich ein ganzes Floß voll närrischer Begründungen zurechtgezimmert für seine Entscheidung. Und wir müssen ihm Einhalt gebieten.«
»Und wie sollen wir das machen?« fragte Tharp. Mit peitschender Wildheit schob sich an Steuerbord eine große Woge heran.
»Wir müssen mit den anderen Käptns sprechen. Eine Art Generalversammlung veranstalten. Allen auf allen Schiffen erklären, was vorgeht. Eine Abstimmung durchführen, nötigenfalls Delagard absetzen, irgendwie.« Er sah den Plan klar vor sich: Eine Volksversammlung aller Sorveser, die Aufdeckung der phantastischen Wahrheit über ihr Ziel, die leidenschaftliche Anklage gegen den Schiffseigner wegen seines krankhaften Ehrgeizes, dann der direkte Appell an den gesunden Verstand der Bevölkerung. Er würde sein Renommee als logischer und vernünftiger Mann gegen Delagard und seine größenwahnsinnigen Visionen und seine wilde und starrsinnige Natur ins Spiel bringen. »Wir dürfen einfach nicht zulassen, daß er uns wild und kopfüber an einen verrückten Ort zerrt, auf den er sich kapriziert hat. Wir müssen das verhindern.«
»Aber die Käptns sind ihm treu ergeben.«
»Werden sie auch weiter loyal bleiben, wenn sie erfahren, wie die wahre Situation ist?«
Eine weitere Woge traf das Schiff, ein scharfer Schlag wie mit dem Handrücken, und ließ es nach backbord krängen. Eine plötzliche Sturzsee kam über die Reling. Kurz danach zuckte ein schrecklicher Blitz auf, dem fast sofort der ohrenbetäubende Donner folgte, und dann prallte der Regen wie ein Brett herunter.
»Wir reden noch drüber«, rief Lawler Tharp zu. »Später, wenn der Sturm sich ausgetobt hat.«
Der Funker ging weiter zum Bug. Lawler klammerte sich an die Reling. Er erstickte fast im Regen und im Wasser, die ihn von mehreren Seiten gleichzeitig angriffen: aus der wild springenden schäumenden See und mit der schweren und beinahe festen Wassermasse aus den Wolken. Mund und Nase waren voll Wasser, frisches und salziges Wasser gemischt. Er hustete und drehte den Kopf weg; er kam sich bereits halb ertrunken vor, und er hustete und keuchte und schniefte, bis er endlich wieder Luft bekam. Eine mitternächtliche Finsternis hatte sich über das Schiff gesenkt. Die See war unsichtbar, außer wenn ein Blitz die Schwärze aufriß und die dunklen riesigen gähnenden Wasserhöhlen ringsum sichtbar werden ließ, wie dunkle Kammern, die sie zu verschlingen drohten. Schemenhaft waren dunkle Gestalten auf Deck auszumachen, die auf Delagards und Felks gebrüllte Befehle hierhin und dorthin eilten. Die Segel waren inzwischen geborgen. Die Queen of Hydros rollte und torkelte heftig unter der vollen Wut des Sturms und drehte die kahlen Spieren in den Wind. Bald schoß sie in einer turmhohen See empor, bald sackte sie in einen gähnenden Abgrund und prallte mit furchtbarem Krachen auf den Boden des gischtenden Wellentals. Lawler hörte fernes Kreischen. Er hatte das überwältigende Gefühl, daß von allen Seiten Wasser erbarmungslos über ihn hereinbrach.
Und dann, mitten im unglaublichen Getöse des Sturms, dem schrecklichen Dröhnen, das auf sie einhämmerte, dem schrillen Kreischen des Windes und dem Donnergrollen und Trommeln des Regens, kam etwas, das noch furchtbarer war als alles Vorherige: der Klang der Stille, eine absolute Geräuschlosigkeit senkte sich wie durch einen Zauber wie ein Vorhang über dem Tumult. Alle an Bord bemerkten es gleichzeitig und hielten in ihren Tun inne, blickten bestürzt und verwirrt und angsterfüllt auf.
Sie dauerte etwa zehn Sekunden lang, diese seltsame Lautlosigkeit, aber es war eine Ewigkeit.
Und dem folgte etwas völlig Unbegreifliches. Und es war dermaßen niederschmetternd beängstigend, daß Lawler gegen den Drang ankämpfen mußte, sich auf die Knie zu werfen. Es war ein dumpfes Brüllen, das von einer Sekunde zur nächsten an Stärke zunahm, so daß es kurz darauf die ganze Luft erfüllte wie das Brüllen aus einem Maul, größer als die ganze Galaxis. Lawler wurde völlig taub davon. Jemand kam vorbeigelaufen - Pilya Braun, machte er sich später klar - und zerrte ihn heftig am Arm. Sie zeigte nach Luv und brüllte ihm etwas zu. Lawler verstand kein Wort und
Weitere Kostenlose Bücher