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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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doch tun, dann wartet da kein väterlich-göttlicher Schoß und kein Himmel auf uns, die uns aufnehmen, und kein Leben nach dem Leben in glorioser Seligkeit. Da wird einfach nichts von alldem sein.«
    »Ach«, sagte der Priester und nickte. »Mein armer Freund. Du steckst Tag um Tag in jenem Zustand, in den ich nur in Momenten nacktester Verzweiflung gerate.«
    »Das mag schon sein. Aber ich ertrage es irgendwie.« Lawler kniff die Augen zusammen und spähte über die funkelnde See nach Südwesten, als erwarte er, daß dort im nächsten Augenblick eine dunkle gewaltige Insel in Sicht kommen müsse. Es hämmerte in seinem Schädel. Ihn verlangte danach, den Schmerz in Taubkraut-Elixier zu ertränken.
    »Ich bete für dich, daß es dir bald möglich sein wird, deine Pein zu überantworten, sie endlich abzutreten.«
    »Verstehe«, sagte Lawler dunkel.
    »Verstehst du? Verstehst du es wirklich?«
    »Ich verstehe, daß du in deinem Verlangen nach dem Paradies uns alle an Delagard verschachert hast, ohne auch nur zwei Sekunden lang zu zögern.«
    »Du drückst es sehr hart aus«, sagte der Priester.
    »Ja, vermutlich. Ich bedaure das. Und du meinst nicht, ich hätte einigermaßen Grund, verärgert zu sein?«
    »Mein Kind...«
    »Ich bin nicht dein Kind!«
    »Aber du bist immerhin doch SEIN Kind.«
    Lawler seufzte. Zwei Verrückte, dachte er, Delagard und Quillan... der eine ist zu allem bereit, um der Erlösung willen, der andere, weil er die Welt erobern will.
    Quillan legte sacht seine Hand auf die Lawlers und lächelte.
    »Gott liebt dich«, sagte er leise. »Gott wird dir SEINE Gnade zuteil werden lassen, fürchte dich nicht.«
    »SAG MIR ALLES, was du über dieses Flache über den Wassern weißt, alles«, sagte Lawler zu Sundira.
    Sie waren in seiner Kabine. »Nicht viel«, sagte sie. »Ich weiß, daß es eine riesig große Insel sein soll - oder ein inselähnliches Etwas, unendlich viel größer als jede der bekannten und bewohnten Inseln. Tausende Hektar groß. Eine enorme, dauerhaft verankerte Landmasse.«
    »Soviel weiß ich auch bereits. Aber hast du bei deinen zahlreichen Gesprächen mit den Gillies noch irgendwas anderes herausgefunden? Verzeihung - deinen endlosen Gesprächen mit den Sassen.«
    »Die mochten nicht gern darüber sprechen. Mit einer Ausnahme, eine Sassin, mit der ich auf Simbalimak befreundet war. Sie war bereit, mir einige Fragen zu beantworten.«
    »Und?«
    »Sie sagte, es ist ein verbotener Ort, den niemand betreten darf.«
    »Ist das alles? Sag mir mehr darüber.«
    »Ach, das ist alles ziemlich verworrenes Zeug.«
    »Ja, das kann ich mir denken. Aber sag’s mir trotzdem. Bitte, Sundira.«
    »Sie hat sich ziemlich rätselhaft ausgedrückt. Absichtlich, nehme ich an. Aber ich bekam den Eindruck, daß die Fläche nicht nur einfach tabu ist, also geheiligt, bzw. verflucht, und man sie nicht betreten darf, sondern daß sie auch praktisch unbewohnbar ist - und körperlich gefährlich. ‚Es ist der Ursprung der Schöpfung’ sagte sie. Sie glauben, daß ein gestorbener Sasse an diesen Ursprung zurückkehrt. Und der Ausdruck, den sie dafür verwenden, lautet er oder sie sei ‚aufs Antlitz gegangen’. Ich bekam damals den Eindruck von etwas, das vor Energie kocht - etwas Heißem, Wildem und sehr, sehr Starken. So als liefe dort ununterbrochen eine Kernreaktion ab.«
    »Himmel«, flüsterte Lawler tonlos. So warm es in der dumpfen kleinen Kabine war, er spürte, wie ein Frösteln seine Beine heraufkroch. Auch seine Finger waren kalt und zuckten. Er wandte sich um und holte die Taubkrautflasche vom Bord. Dann goß er sich ein Schlückchen davon in einen Meßbecher. Er blickte Sundira fragend an, doch sie schüttelte den Kopf. »Heiß und wild und stark«, sagte er. »Eine atomare Kernreaktion.«
    »Aber du mußt verstehen, daß dies nicht ihre Vorstellung war. Es ist meine Interpretation, gestützt auf ihre unbestimmten und zweifellos metaphorischen Ausdrücke. Du weißt ja, wie kompliziert es ist zu begreifen, was die Sassen zu uns sagen.«
    »Ich weiß es.«
    »Doch ich begann mich damals zu fragen, während sie mit mir darüber sprach, ob nicht vielleicht vor langer Zeit dort ein Experiment der Sassen durchgeführt worden sein könnte, eine Art Kernkraftwerk-Projekt, das außer Kontrolle geriet. Irgend etwas in dieser Richtung. Natürlich ist das eine bloße Vermutung, klar? Aber aus der ganzen Art, wie sie darüber redete, erkannte ich, wie beunruhigt sie war, und sie blockte immer wieder ab,

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