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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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totale Pleite, oder? Ein absoluter Reinfall. Ich hab in meinem ganzen Leben noch nie zuvor bei etwas versagt. Erst jetzt. Aber diese Katastrophe, dieser... dieses Unheil...« - plötzlich schoß Delagards Hand vor und klammerte sich an Lawlers Arm. »Ich brauch was, um damit weiterleben zu können, Doc. Diese Schmach und Schande! Die Schuldgefühle! Du denkst wahrscheinlich, ich bin zu so was gar nicht fähig, aber was, zum Teufel, hast du überhaupt je von mir gewußt? Wenn wir diese Reise überleben, werden alle auf Hydros, wohin ich auch komme, mich angaffen und sagen: ‚Da geht der Mann, der Anführer der Reise, bei der er sechs Schiffe voll mit Menschen direkt in die Höllenscheiße geführt hat.’ Und die ständigen Mahnungen die ganze Zeit. Jedesmal wenn ich von nun an dich sehe, oder Dag, Felk, Kinverson...« Delagards Augen blickten starr und wild: »Du hast da doch eine Medizin, stimmt’s, die das Gefühl in einem abstumpft und betäubt und auslöscht? Ich bitte dich um das Zeug. Ich möchte mich damit betäuben, und zwar tüchtig, und das will ich von jetzt an bis zum Schluß bleiben. Weil mir nämlich sonst nur noch eins übrigbleibt, nämlich mich umzubringen, und dazu fehlt’s mir einfach an Phantasie.«
    »Drogen sind auch eine Methode, sich umzubringen, Nid.«
    »Verschon mich mit solchem frömmelnden Geseich, Doktor, ja?«
    »Es ist mir völlig ernst. Glaub mir, ich hab mich schließlich jahrelang selbst mit diesem Zeug vergiftet. Es ist, als wäre man ein lebender Leichnam.«
    »Das ist immer noch erträglicher als ein toter Leichnam.«
    »Vielleicht. Aber trotzdem kann ich dir nichts geben. Ich hab die letzten Tropfen meines Vorrats aufgebraucht, bevor wir hier ankamen.«
    Delagards Griff an Lawlers Arm verschärfte sich heftig. »Lüg mich nicht an!«
    »Tu ich das?«
    »Ich weiß, daß du lügst! Du kannst ohne die Droge nicht leben. Du brauchst sie jeden Tag. Denkst du, ich weiß das nicht? Meinst du, das wissen wir nicht alle?«
    »Nid, es ist wirklich nichts mehr da. Weißt du noch, letzte Woche, als es mir so schlecht ging? Was wirklich mit mir los war? - Ich litt unter Entzug. Es ist nicht ein Tropfen mehr übrig. Du kannst gern meine Vorräte durchsuchen, aber du wirst nichts finden.«
    »Du lügst!«
    »Geh und sieh nach. Du kannst gern alles haben, was du findest. Das ist ein verbindliches Versprechen.« Damit schob Lawler behutsam Delagards Klammerhand von seinem Arm. »Hör mir zu, Nid, leg dich jetzt erst mal hin und gönn dir ein wenig Erholung. Wenn du wieder aufwachst, sind wir weit weg von hier, du fühlst dich dann besser, glaub es mir, und dann kannst du auch besser mit dir selber umgehen und diesen ganzen Prozeß deiner Selbst-Entsühnung leisten. Du bist ein zäher Bursche, Nid, hast Stehvermögen. Du weißt bestimmt, wie man mit so was wie Schuld und Schuldgefühlen umgeht - glaub es mir, du weißt das. Aber im Moment bist du dermaßen erschöpft und niedergeschlagen, daß du nicht einmal die nächsten fünf Minuten im Griff hast. Aber sobald wir wieder in der offenen See sind...«
    »Wart mal ‘nen Moment!« sagte Delagard und stierte über Lawlers Schulter. Er zeigte zum Krandeck am Heck. »Was, zum Teufel, ist da los?«
    Lawler drehte sich um. Dort kämpften zwei Gestalten, ein großer und ein viel schmalerer Mann: Kinverson und Quillan, eine ziemlich unpassende Paarung von Gegnern. Kinverson hatte dem Priester seine Pranken auf die hageren Schultern gelegt und hielt ihn auf Armeslänge fest im Griff, während Quillan sich zu befreien versuchte.
    Lawler stolperte über die Treppe und rannte zum Heck. Delagard kam taumelnd hinter ihm her.
    »Was machst du denn da?« rief Lawler. »Laß ihn los!«
    »Wenn ich den loslaß, dann haut der ab, rüber aufs Land. Sagt er jedenfalls, daß er das will. Möchtest du, daß er das macht, Doc?«
    Quillan hatte einen absonderlichen Ausdruck der Entrückung im Gesicht. Die Augen waren glasig-starr wie bei einem Schlafwandler. Die Pupillen unnatürlich geweitet. Und seine Haut wirkte dermaßen bleich, als hätte er keinen Tropfen Blut mehr im Leib. Die Lippen waren zu einem erstarrten Grinsen verzerrt.
    Kinverson erklärte: »Er ist da so rumgewandert wie einer, der den Kopf verloren hat. Zu ihm, zu ihm, in sein ‚Antlitz’, hat er die ganze Zeit gebrabbelt. Dann fing er an und wollte über Bord klettern, also hab ich ihn mir gegriffen, und der haut doch glatt wie irre auf mich los. Himmel, ich hätt mir nie träumen lassen, daß der

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