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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Picknick - also soll er doch das Vergnügen haben und als erster an Land steigen. Ich bleib hier und schau mir an, was geschieht.«
    »Klingt vernünftig, denk ich. Und trotzdem... trotzdem...«
    »Du fühlst dich verlockt.«
    »Ja.«
    »Es geht ein Sog aus, nicht? Ich spüre ihn auch. Ich höre in meinem Innen etwas sagen wie: Nur zu, komm rüber, schau es dir an, was es da gibt. Es gibt auf der ganzen Welt nichts Vergleichbares. Das mußt du dir anschauen. Aber es ist ein verrückter Gedanke.«
    »Ja«, sagte Sundira leise. »Du hast recht. Es ist verrückt.«
    Dann schwieg sie und konzentrierte sich auf die Ausbesserungsarbeiten. Dann kam sie auf seine Höhe heruntergeklettert. Lawler berührte ihre nackte Schulter sacht mit den Fingerspitzen. Sie gab einen weichen Laut des Wohlbehagens von sich und kuschelte sich an ihn. So schauten sie zusammen auf die farbensprühende See hinaus, auf die verquollene untergehende Sonne und den bestürzenden Lichterdunst, der von der Insel drüben aufstieg.
    »Val, kann ich heut nacht bei dir in deiner Kabine bleiben?« bat sie.
    So etwas war noch nicht oft und nun schon seit längerem nicht mehr geschehen. Zu zweit waren sie einfach für den engen Raum und die schmale Koje zuviel.
    »Aber gern.«
    »Ich lieb dich, Val.«
    Lawler ließ die Hände über ihre kräftigen Schulterblätter gleiten bis hinauf in den Nacken. Er fühlte sich stärker zu ihr hingezogen als je zuvor: Fast als wären sie zwei getrennte Hälften eines zerteilten Organismus und nicht bloß zwei Halbfremde, die der Zufall auf einer seltsamen Reise zu einem gefährlichen Ort zueinander getrieben hatte. War es diese Gefahr, überlegte er, die uns einander näherbrachte? War es - Gott behüte - die aufgezwungene Nähe mitten auf dem Ozean, die mich ihr gegenüber so schutzlos macht und so begierig darauf, sie dicht bei mir zu haben?
    »Ich lieb dich«, flüsterte er.
    Sie stürzten zu seiner Kabine hinunter. Noch nie hatte er sich Sundira so nahe gefühlt... noch nie irgendeinem Menschen sonst. Sie waren Verbündete, nur sie und er, allein gegen ein wirbelndes, verwirrend rätselhaftes Universum. Und sie hatten nur einander als Halt gegen dieses rätselhafte ‚Antlitz’, das sie in seinen Bann zu ziehen drohte.
    Die Nacht war kurz; ineinander verschlungene Arme und Beine, schweißnasse nackte Haut, Körper die glitschig in- und umeinander glitten; immer wieder die Augen, die sich suchten, das Lächeln, das im Gesicht des anderen die lächelnde Antwort auslöste; die Atemströme, die sich mischten, leise gehauchte Worte, ihr Name aus seinem Mund, seiner von ihren Lippen; dann der Tausch von Erinnerungen; und die neuen Erinnerungen, die sie sich schufen. Sie schliefen keine Minute. Aber das macht gar nichts, sagte sich Lawler. Der Schlaf kann leicht neue Spukträume heraufbeschwören. Besser wir bringen diese Nacht wachend zu. Und in leidenschaftlicher Lust. Vielleicht ist morgen unser letzter Tag.
    IM MORGENGRAUEN stieg er an Deck. In den letzten Tagen war er zur Frühwache eingeteilt gewesen. Im Verlauf der Nacht, erkannte Lawler, war das Schiff wieder durch die Brecher landwärts vorgedrungen und ankerte nun in einer Bucht, die der ersten ziemlich ähnlich sah; allerdings wies die Küste keine Berge auf, nur flache Matten voll dicht wachsender dunkler Vegetation.
    Diesmal schien die Bucht nichts gegen ihre Anwesenheit zu haben, ja sie sogar zu begrüßen. Die Wasserfläche war still, kein leichtes Kräuseln zeigte sich, keine Spur von dem peitschenden Kelp, dem wirbelnden Riementang, der sie fast sogleich aus der vorherigen Bucht vertrieben hatte.
    Aber das Wasser war auch hier wie überall sonst lumineszent, und goldne und rosa und scharlachrote und saphirblaue Lichtkaskaden stiegen auf, und an Land setzte sich mit gewohnter Wildheit der unendliche Schleifentanz des Lebens fort. Purpurne Funken stiegen sprühend vom Land auf. Wieder war es, als brennte die Luft. Überall helle grelle Farben. Die wahnsinnige unerschöpfliche Großartigkeit und Pracht des Landes war schwer zu ertragen - als erste Eindrücke frühmorgens nach einer schlaflosen Nacht...
    Delagard war auf der Brücke. Und er war allein und stand seltsam in sich verkrochen mit über der Brust gekreuzten Armen da.
    »Komm doch her und red ein bißchen mit mir, Doc«, bat er.
    Die Augen des Mannes waren trübe und gerötet. Er sah aus, als habe auch er keinen Schlaf gehabt, und nicht bloß in der letzten Nacht, sondern schon seit etlichen. Die

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