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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Deck. »Pilya! Neyana! Schnappt euch die Taue da! Val, kannst du mit dem Steuerruder umgehen? Himmel! Der Anker ist ja noch drunten... Gabe! Gabe, hol um Himmels willen den Anker ein!«
    »Lis kommt grad zu uns zurück«, bemerkte Lawler.
    »Kümmere dich nicht darum. Hilf lieber Gabe mit dem Anker!«
    Doch es war schon zu spät. Lis hatte bereits die halbe Distanz mit kräftigen leichten Schwimmstößen hinter sich gebracht. Und Gharkid kam direkt hinter ihr her. Sie machte im Wasser halt und schaute zu ihnen herauf, und ihre Augen waren nicht mehr die ihren, sondern neue Augen, fremd und unmenschlich.
    »Gott erbarme sich unser aller Seelen«, murmelte Father Quillan. »Jetzt zerren sie alle beide an uns!« In seinen Augen stand Entsetzen. Er bebte krampfartig am ganzen Leib. »Ich fürchte mich, Lawler. Hier ist, wonach ich mein Leben lang gestrebt habe, und jetzt, wo es - greifbar nahe ist, fürchte ich mich. Ich fürchte mich schrecklich!« Flehentlich streckte er Lawler die Hände entgegen. »Hilf mir! Bring mich unter Deck! Sonst werde ich schwach und geh da hinüber. Ich kann nicht mehr dagegen ankämpfen.«
    Lawler ging auf ihn zu. »Laß ihn doch gehen!« rief Sundira heftig. »Uns bleibt keine Zeit. Und er nutzt uns sowieso nichts.«
    »Hilf mir!« winselte der Priester. Er schob sich mit den gleichen schlurfenden gleitenden trancehaften Schritten wie Lis auf die Reling zu. »Mein GOTT ruft mich und ich schrecke davor zurück, zu IHM zu gehen!«
    »Das ist nicht dein Gott, der dich da ruft«, sagte Sundira scharf. Inzwischen rannte sie herum und war überall zugleich, versuchte die anderen mit ihrer Energie sozusagen zur Aktivität zu galvanisieren, doch schien es nichts zu bewirken. Pilya starrte in die Takelung hinauf, als hätte sie noch nie zuvor so etwas wie ein Segel gesehen. Neyana war allein auf dem Vordeck und sang monoton leise vor sich hin. Kinverson hatte überhaupt nicht auf die Aufforderung reagiert, sich um den Anker zu kümmern, sondern stand stocksteif und mit weitgeöffneten leeren Augen mittschiffs, wie in einer für ihn ganz atypischen spirituellen Kontemplation gefangen.
    Kommt zu uns, sagten Gharkid und Lis. Kommt doch, kommt zu uns! Kommt!
    Lawler zitterte am ganzen Leib. Der Sog war inzwischen viel stärker geworden als zuvor, als Gharkid allein sie zu locken versucht hatte. Lawler hörte ein klatschendes Geräusch im Wasser. Wieder war jemand über Bord gesprungen. Felk? Tharp? Nein. Tharp kauerte noch immer da drüben wie eine kleine Stinkmorchel. Aber Felk war weg. Und dann sah Lawler, wie auch Neyana über die Bordwand stieg und ins Wasser sprang.
    Einer nach dem anderen werden wir alle so verschwinden, dachte er. Einer nach dem anderen. Und aufgehen in der fremdartigen Entität da drüben.
    Er kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Er rief die Sturheit und Hartnäckigkeit seines Wesens auf den Plan, seine leidenschaftliche Liebe zur Abgeschirmtheit und Unberührtheit, die heftige, arrogant streitlustige Beharrlichkeit, mit der er seinen ganz persönlichen, ganz eigenen Weg gehen wollte, und formte sich daraus eine Waffe gegen das, was ihn da forderte. Er wickelte sich in seine lebenslange Einsamkeit und Isolation zurück und schlug sie um sich, als wäre es ein unsichtbar machender Mantel.
    Und es schien zu funktionieren. Der Sog war stark - und er wurde immer stärker, doch er vermochte Lawler nicht über die Reling zu ziehen. Der Außenseiter bis zum Ende, dachte er, der ewige Einzelgänger, ich spiele nicht einmal bei der Vereinigung mit, die dieses mächtige gefräßige Ding da drüben überm Wasser uns anbietet.
    »Bitte«, flehte Father Quillan fast winselnd. »Wo ist die Deckluke? Ich kann sie nicht finden!«
    »Komm mit«, sagte Lawler. »Ich bring dich runter.«
    Er sah Sundira verzweifelt am Ankerspill kurbeln, wo sie allein versuchte, den Anker zu lichten. Aber dafür war sie nicht kräftig genug; einzig Kinverson von ihnen allen vermochte das alleine. Lawler zögerte. Da war Quillans Hilfsbedürftigkeit, und dagegen stand die dringlichere Aufgabe, das Schiff freizubekommen.
    Delagard war endlich wieder auf den Beinen und kam auf ihn zugetaumelt wie einer, der einen Schlaganfall erlitten hat. Lawler schob ihm den Priester in die Arme.
    »Da! Halt ihn fest, sonst geht er uns über Bord.«
    Dann lief er zu Sundira. Doch plötzlich stellte sich ihm Kinverson in den Weg und schleuderte ihn mit einem Stoß seiner Pranke gegen die Brust zurück.
    »Der Anker...«, hustete

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