Über den Wassern
fortgeschritten. Er suchte sich seinen Weg, das Ufer entlang, wieder an dem Kraftwerk vorbei, hinunter zur Werft und zu dem klapprigen kleinen Holzhaus, in dem Delagard wohnte. Delagard verabscheute es, in Vaarghs zu hausen. Er ziehe es vor, stets in der Nähe seiner Werft zu sein, sagte er.
Lawler traf ihn allein an; er war noch wach, saß an einem unruhig flackernden rauchenden Feuer und trank Beerenkrautschnaps. Es war ein kleiner Raum, vollgestopft mit Angelhaken und Leinen, Netzen, Riemen, Ankern, aufgeschichteten Häuten von Teppichfisch, Kisten voll Schnaps. Es sah hier aus wie in einem Lagerraum, nicht wie in einer Wohnung. Es war die Behausung des reichsten Mannes auf der Insel.
Delagard schnüffelte. »Du stinkst wie ein Gillie! Was hast du angestellt, dich von ihnen hernehmen lassen?«
»Richtig geraten. Du solltest das selber mal ausprobieren. Du könntest dabei noch ein paar neue Varianten lernen.«
»Sehr komisch. Aber du stinkst wirklich, als hättest du es grad mit ‘nem Gillie getrieben, weißt du. Haben die dich fertigzumachen versucht?«
»Einer von ihnen kam mir recht nahe, als ich gehen wollte«, sagte Lawler. »Ich glaub, es war ein Zufall.«
Delagard zuckte die Achseln. »Na ja. Hast du was bei denen erreicht?«
»Nichts. Hast du wirklich erwartet, ich würde?«
»Man soll nie die Hoffnung aufgeben. Ein Trübsalbläser wie du glaubt das wahrscheinlich nicht, aber es gibt immer Hoffnung. Wir haben einen Monat lang Zeit, sie umzustimmen. Möchtest du ‘nen Drink, Doktor?«
Delagard schenkte bereits ein. Lawler nahm den Becher und schüttete den Inhalt rasch durch die Kehle.
»Es ist an der Zeit, daß du dir diese Scheiße aus den Augen kratzt, Nid. Zeit, daß du einsiehst und dir diese Wunschvorstellung abschminkst, daß wir sie noch überreden könnten.«
Delagard hob den Blick. Sein rundes Gesicht wirkte in dem flackernden fahlen Licht massiger, als es in Wirklichkeit war, die Schatten ließen die Fleischwammen am Hals hervortreten und machten die gebräunten, ledrig aussehenden Wangen zu flappigen Hängebacken. Die Augen wirkten klein wie Knöpfe und müde.
»Meinst du wirklich?«
»Gar kein Zweifel. Sie wollen uns wirklich los sein. Nichts, was wir sagen oder tun könnten, wird daran was ändern.«
»Das haben sie dir gesagt, ja?«
»Das war gar nicht nötig. Ich lebe schon lang genug auf dieser Insel, um zu wissen, daß sie immer meinen, was sie sagen. Du im übrigen ja auch.«
»Ja«, sagte Delagard nachdenklich. »Ich weiß das auch.«
»Also, es ist an der Zeit, daß wir uns den Tatsachen stellen. Wir haben nicht die kleinste verdammte Chance, sie zu einer Zurücknahme ihrer Entscheidung zu bewegen. Was glaubst du, Delagard? Gibt’s noch ‘ne Chance? Um Himmels willen, sag schon, gibt es noch eine?«
»Nein. Ich glaub nicht, daß wir eine haben.«
»Also, wann hörst du dann damit auf, so zu tun, als ob doch? Muß ich dich daran erinnern, was sie auf Shalikomo getan haben, als sie uns rauswarfen und die Leute nicht fortgingen?«
»Das war auf Shalikomo, und es ist lang her. Hier ist Sorve. Und heute.«
»Und Gillies sind Gillies. Willst du hier ein zweites Shalikomo erleben?«
»Du weißt meine Antwort darauf, Doc.«
»Also? Du hast von Anfang an gewußt, daß keine Hoffnung besteht, sie umzustimmen. Du hast bloß so getan, nicht wahr? Um der ganzen Gemeinde zu demonstrieren, wie tief dich die Scheiße bedrückt, in die du uns alle ganz allein hineingebracht hast.«
»Du glaubst, ich hab dir Scheiße serviert?«
»Ja, das glaub ich.«
»Aber das ist nicht wahr. Kapierst du denn nicht, wie ich mich fühle, weil ich das alles über uns gebracht habe? Ich fühl mich wie ein Abfallhaufen, Lawler. Und wofür hältst du mich denn überhaupt? Für ein mieses gefühlloses blutsaugerisches Biest? Meinst du, ich könnte einfach achselzuckend zu den Leuten sagen: Pech, Leute, eine Weile hat das mit den Tauchern prima geklappt, und dann ging’s eben schief, also müssen wir uns von hier verziehen, tut mir leid, wenn es euch lästig ist, und tschüs, bis später? Sorve ist meine Heimatgemeinde, Doc. Und ich dachte, ich müßte wenigstens zeigen, daß ich zumindest versuchen will, den Schaden gutzumachen, den ich angerichtet hab.«
»Also gut, du hast es versucht. Wir haben es beide versucht. Und haben nichts erreicht, genau wie wir beide es von Anfang an erwarteten. Und was wirst du jetzt tun?«
»Was soll ich denn tun?«
»Das hab ich dir bereits gesagt. Hör auf mit
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