Über den Wassern
die übrigen dorthin.«
»Nein!« Lawler reagierte plötzlich sehr heftig.
»Nein?«
»Ich will das nicht... Ich will, daß die Gemeinde beisammenbleibt.«
»Und wenn das nicht möglich ist?«
»Wir müssen einen Weg finden. Wir dürfen nicht Menschen, die ihr Leben lang miteinander gelebt haben, über den ganzen verdammten Ozean zerstreuen. Wir sind eine einzige Familie, Nid.«
»Sind wir das? Also, ich glaube, ich seh das nicht so.«
»Dann siehst du es eben jetzt mal so!«
»Na ja, also...« - Delagard saß still da und runzelte die Stirn - »... im äußersten Fall könnten wir ja auch einfach auf einer Insel landen, die nicht dauernd von Menschen bewohnt ist oder grad jetzt nicht, und wir könnten die dort hausenden Gillies um Asyl bitten. So was hat es schon früher mal gegeben.«
»Ja, aber die Gillies würden wissen, daß wir von unseren eigenen Gillies hier vertrieben wurden, und warum.«
»Vielleicht würde das keine Rolle spielen. Du kennst sie doch ebensogut wie ich, Doc. Es gibt ‘ne Menge von ihnen, die uns gegenüber ziemlich tolerant sind. Für die sind wir weiter nichts als wieder ein neuer Beweis, ein Beispiel für die unergründlichen Abläufe des Universums, etwas, das ihnen einfach zufällig aus dem großen Meer des Raumes an den Strand gewaschen wurde. Sie wissen durchaus, daß es sinnlos ist, an den unerforschlichen Ratschlüssen des Universums herumzurätseln. Und deshalb, vermute jedenfalls ich, haben sie uns einfach achselzuckend aufgenommen, als wir ursprünglich zu ihnen kamen.«
»Die Gescheitesten unter ihnen denken vielleicht so. Aber die übrigen verabscheuen uns und wollen mit uns nicht das geringste zu tun haben. Warum aber sollten uns die Gillies einer anderen Insel aufnehmen, nachdem uns die Gillies auf Sorve als Mörderbande hinausgeworfen haben?«
»Wir werden’s schon schaffen«, sagte Delagard gelassen, sichtlich völlig unberührt von dem häßlichen Wort. Er wiegte seinen Drink zwischen beiden Handflächen und starrte in den Becher. »Wir gehen nach Velmise. Oder nach Salimil. Oder nach Grayvard, wenn’s sein muß. Oder an irgendeinen vollkommen neuen Ort. Und wir bleiben alle beisammen und bauen uns ein neues Leben auf. Dafür werde ich sorgen. Du kannst dich drauf verlassen, Doc.«
»Hast du genug Schiffe für uns alle?«
»Ich habe sechs. Dreizehn Mann pro Boot, und wir werden uns noch nicht einmal beengt fühlen. Hör auf, dir Sorgen zu machen, Doc. Trink noch einen.«
»Ich hab mich grad bedient.«
»Aber du hast wohl nichts dagegen, wenn ich...?«
»Aber bitte.«
Delagard lachte. Er wurde nun allmählich sichtlich betrunken. Er streichelte den Globus, als wäre es die Brust einer Frau, dann hob er die Kugel behutsam hoch und verstaute sie wieder in der Lade. Der Schnapskürbis war nahezu leer. Delagard zauberte von irgendwo her eine neue Flasche und goß sich kräftig ein. Er schwankte ein wenig dabei, fing sich aber kichernd wieder.
Nuschelnd sagte er: »Ich versichre dir eins feierlich, Doc, und das ist, ich werd mir den Arsch aufreißen, damit wir ‘ne neue Insel kriegen, und ich werd uns sicher hinbringen. Du glaubst mir das doch, Doc, wenn ich es dir sage, ja?«
»Aber sicher glaube ich dir.«
»Und du kannst mir auch in deiner Herzenstiefe verzeihen, was ich da mit diesen Tauchern gemacht hab?« fragte er brabbelnd.
»Na sicher. Klar.«
»Du bist ein Lügner, Doc. Du vera... verabscheust mich ganz und gar...«
»Jetzt komm mal wieder runter, Nid. Was passiert ist, das ist passiert. Wir müssen eben jetzt einfach damit zu leben versuchen.«
»Gesschbrochen wie der wahre Phi... Philosoph. Komm, trink noch ein’ mit mir.«
»Mir recht.«
»Und auch noch einen für den guten alten Nid Delagard. Und wieso auch nicht? Noch ‘en Kleinen für den lieben alten Delagard, genau! So, da isser, Nid. Ach, Mann, dank dir, Nid. Ganz, ganz herzlichen Dank, Nid. Verdammt, iss das Zeug gut... Verdammt... gut, das... Zeug...« Delagard gähnte, die Lider sanken ihm herab, der Kopf neigte sich der Tischplatte zu. »Guter... Stoff...«, mummelte er, gähnte wieder, rülpste leise, und dann schlief er ein. Lawler trank aus und verließ den Schuppen.
ES WAR SEHR STILL draußen, nur das leise Schmatzen der kleinen Lagunenwellen am Ufer war zu hören, und das war er so gewöhnt, daß er es kaum wahrnahm. Es war noch ein, zwei Stunden vor der Dämmerung. Das Kreuz am Himmel brannte wild und schrecklich und durchschnitt das schwarze Firmament von Horizont zu
Weitere Kostenlose Bücher