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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Familienerbstück, seit Hunderten von Jahren. Ich kann es wirklich nicht weggeben.«
    »Du darfst es dir anschauen, wann immer du Lust dazu hast.«
    »Nein«, wies er sie ab. Und zugleich dachte er darüber nach, für wen er denn diese paar Reliquien aufbewahren sollte. »Es tut mir leid. Ich wollte, ich könnte es dir schenken, aber es geht nicht. Diese Dinge kann ich dir nicht geben.«
    Sie nickte ergeben, machte aber nicht den Versuch, ihre Enttäuschung zu verhehlen. »Die ERDE«, sagte sie noch einmal und ließ das geheimnisvolle Wort genüßlich auf den Lippen zergehen. »ERDE!« Dann legte sie den Vierteldollar wieder auf das Bord zurück. »Du wirst mir einmal sagen, was diese anderen Erdendinge sind, ein andermal. Aber es gibt da bei dir jetzt einiges zu tun, und das hätten wir beinahe vergessen. Die Salbe für deine Hände... wo ist die Salbe?«
    Er zeigte es ihr. Sie drückte einen kleinen Strang aus der Tube. Dann drehte sie ihm erneut die Hände mit den Handflächen nach oben, wie sie das schon an Deck getan hatte, und schüttelte betrübt den Kopf. »Na, da schau dir das an. Du wirst Narben davon behalten.«
    »Vielleicht auch nicht.«
    »Dieses Zeug - es hätte auch dich über Bord zerren können.«
    »Nein«, sagte Lawler. »Das konnte es nicht. Und hat nicht. Gospo war außerdem von Anfang an ziemlich dicht an der Reling, und es hat ihn erwischt, bevor er begriff, was ihm da passiert ist. Ich war einfach in einer besseren Position, mich dagegen zu wehren.«
    Er sah die Furcht in den bezaubernden goldgesprenkelten Augen der jungen Frau.
    »Wenn nicht diesmal, dann wird es uns beim nächstenmal kriegen. Wir werden alle sterben, ehe wir unser Ziel erreichen, wo immer das liegen mag«, sagte sie.
    »Aber nein. Nein, alles wird gut verlaufen.«
    Pilya lachte. »Du siehst immer in allem irgendeine gute Seite. Aber das wird trotzdem eine schlimme, eine kummervolle, eine tödliche Reise werden. Wenn wir jetzt kehrtmachen könnten, wieder nach Sorve zurücksegeln könnten, Doktor, würdest du das nicht auch lieber tun?«
    »Aber, Pilya, wir können doch nicht zurück. Das weißt du doch. Genauso könntest du davon reden, daß man umkehren und zur Erde zurückkehren sollte. Es gibt keine Möglichkeit, wie wir jemals Sorve wiedersehen könnten.«

ERSTER TEIL
Die Insel Sorve

1
    IN DER NACHT war ihm die klare schlichte Überzeugung gekommen, daß er der vom Schicksal auserwählte Mann sei, der den Dreh finden konnte, durch den für die achtundsiebzig Menschen alles so sehr viel einfacher und besser werden würde, die auf der künstlichen Insel Sorve auf dem Wasserplaneten Hydros lebten.
    Die Idee war verrückt, und Lawler wußte das. Aber sie hatte seinen Schlaf gestört, und keine seiner gewohnten Methoden schien dagegen zu helfen, nicht Meditation, nicht das Einmaleins, ja nicht einmal ein paar rosa Tropfen seines Tranquilizers aus Algendestillat, von dem er letzthin möglicherweise doch ein wenig zu abhängig wurde. Von kurz nach Mitternacht bis fast zum Morgengrauen lag er wach und schlug sich mit dieser seiner brillanten, heroischen verrückten Idee herum. Dann, bei noch dunklem Himmel in den frühen Morgenstunden und bevor sich irgendwelche Patienten einfinden würden, die ihm den Tag komplizieren und die Reinheit seiner plötzlichen neuen Idee trüben konnten, verließ Lawler den Vaargh nahe der Inselmitte, wo er allein lebte, und begab sich hinab zum Uferkai, um zu erkunden, ob es den Gillies während der Nacht tatsächlich gelungen war, ihr neues Kraftwerk in Gang zu setzen.
    Wenn ja, wollte er sie überschwenglich dazu beglückwünschen. Er würde seinen ganzen Wortschatz der Zeichen- und Gestensprache einsetzen und ihnen sagen, wie tief beeindruckt er von ihrer ehrfurchtgebietenden technischen Meisterleistung sei. Er würde ein Loblied auf sie singen, sie preisen dafür, daß sie mit einem einzigen meisterhaften Streich die gesamte Lebensqualität - nicht nur auf Sorve, sondern dem ganzen Planeten Hydros - verändert hätten.
    Und dann wollte er sagen: »Mein Vater, der große Doktor Bernat Lawler, an den ihr alle euch noch gut erinnert, hat diesen Augenblick vorausgesehen. ‚Eines Tages’, sagte er oft zu mir, als ich noch ein Junge war, ‚werden unsere Freunde-die-Dwellers, die Inselsassen, eine stetige, zuverlässige Stromversorgung aufbauen. Und dann wird hier eine neue Ära beginnen, und die Sassen und die Menschen werden in herzlicher Eintracht zusammenarbeiten...’«
    Etcetera, etcetera.

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