Über den Wassern
aber keine Salbe.«
»Das weiß ich. Träufle ein paar Tropfen in ein wenig Wasser und gib mir das zuerst. Danach die Salbe.«
»Was ist es denn? Ein Schmerzmittel?«
»Ja, ein Schmerzmittel.«
Pilya machte sich geschäftig daran, ihm die Droge zu mischen. Pilya war um die fünfundzwanzig, hatte goldene Haare, braune Augen, breite Schultern, kräftige Gesichtszüge, eine gutgeformte Brust und schimmernde olivdunkle Haut - eine attraktive kräftige Frau und - wie Delagard sagte - eine hart zupackende Arbeiterin. Und zweifellos kannte sie sich auf Schiffen aus. In Sorve hatte Lawler nie viel mit ihr zu tun gehabt; aber vor zwanzig Jahren hatte er ein paarmal mit ihrer Mutter, Anya, das Bett geteilt, als er ungefähr so alt war, wie Pilya es jetzt war, und ihre Mutter damals eine schlanke Mittdreißigerin. Es war eine ziemlich dumme Geschichte gewesen, damals. Lawler bezweifelte, daß Pilya davon etwas wußte. Ihre Mutter war inzwischen tot, dahingerafft von einem Fieber nach dem Genuß von verdorbenen Austern, das war vor drei Wintern gewesen. Damals, als er das Verhältnis mit Anya hatte, war Lawler ziemlich heftig hinter den Weibern hergewesen - es war kurz nach dem Zusammenbruch seines einzigen Eheversuchs, der unter einem üblen Stern gestanden hatte. Aber seither hatte er sich schon ziemlich lange die Frauen vom Leibe gehalten, und in diesem Moment wünschte er sich, daß Pilya aufhören möge, ihn dermaßen bereitwillig und hoffnungsschwanger anzuglotzen, als wäre er die Erfüllung all dessen, was sie sich von einem Mann erwartete. Das war er nämlich nicht. Doch er war zu wohlerzogen - oder auch zu desinteressiert, um ihr das klarzumachen. Er wußte selber nicht, was von beidem zutraf.
Sie reichte ihm das Glas, das bis zum Rand voll von der rosafarbenen Flüssigkeit war. Seine Hände waren wie hölzerne Kloben, die Finger steif wie Stecken. Sie mußte ihm beim Trinken helfen. Aber das Taubkrautdestillat begann sogleich zu wirken und nahm wie gewohnt die Bedrückung von seiner Seele, was angenehm war, und löste nach und nach die Schichten des Schocks nach dem grausigen Geschehen an Deck von ihm. Pilya nahm ihm das geleerte Glas aus den Händen und stellte es auf das Bord gegenüber seiner Koje.
Auf diesem Bord hatte Lawler seine Reliquien von der ERDE aufgestellt, sechs kleine Fragmente aus einer einst existierenden Welt. Pilya hielt inne und besah sie sich eingehend: die Münze, die Bronzestatuette, den Tonscherben, die Landkarte, die Schußwaffe, den Steinbrocken. Vorsichtig berührte sie die kleine Statue mit der Fingerspitze, als befürchte sie, sich zu verbrennen.
»Was ist das da?«
»Das kleine Abbild eines Gottes, aus einer Gegend, die Ägypten hieß. Das war damals auf der Erde.«
»Auf der Erde? Du hast Sachen von der Erde?«
»Familienerbstücke. Das da ist viertausend Jahre alt.«
»Viertausend Jahre? Und das da?« Sie nahm die Münze. »Was bedeuten die Schriftzeichen auf diesem Stückchen hellen Metalls?«
»Auf der Seite mit dem Frauengesicht steht: In God We Trust. Und auf der anderen Seite, wo der Vogel ist, steht United States of America, hier oben, und drunter Quarter Dollar.«
»Was bedeutet das ‚Quarterdollar’?« fragte Pilya.
»Das war so eine Art Währung damals auf der Erde.«
»Und ‚United States of America’?«
»Ach, das war so eine Gegend.«
»Du meinst, eine Insel?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Aber ich glaub eher nein. Auf der Erde hatten sie keine Inseln, wie wir sie kennen.«
»Und dieses Tier da? Mit den Flügeln? Solche Tiere gibt es doch überhaupt gar nicht.«
»Auf der ERDE gab es sie schon«, antwortete er. »Man nannte sie Adler, und es war so eine Art Vogel.«
»Was ist das, ein Vogel?«
Er zögerte. »Etwas, das in der Luft fliegen kann.«
»So was wie ein Luftgleiter«, sagte sie.
»Ja, so ungefähr. Aber ich weiß es wirklich nicht.«
Pilya stupste nachdenklich die übrigen Artefakte an. Dann sagte sie sehr leise: »Die Erde... also hat es diesen Ort einmal wirklich gegeben.«
»Aber sicher hat es sie gegeben!«
»Ich war mir da nie sicher, ob es nicht vielleicht bloß so ein Märchen war.« Sie wandte sich um, lächelte ihm breit und kokett entgegen und hielt ihm die Münze hin. »Schenkst du mir das, Doktor? Ich find es hübsch. Und ich hätte gern was von der Erde, ein Ding, das ich festhalten kann.«
»Das geht nicht, Pilya.«
»Bitte? Bitte, willst du’s mir nicht geben? Es ist so schön!«
»Aber es ist ein
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