Ueber Deutschland
und den materialistischen Philosophen beschrieben werden. Die einen glauben, daß man die Natur nur dadurch errathen könne, daß man sich allen äußeren Eindrücken entzieht, und sich in die Extase des Gedankens stürzt; die andern behaupten, man könne sich bei Erforschung der Erscheinungen des Universums nicht genug in Acht nehmen vor Enthusiasmus und Einbildungskraft. Man möchte sagen, der menschliche Geist müsse, um die Natur zu begreifen, sich vom Körper oder von der Seele losmachen, während das Geheimniß des Daseyns eigentlich auf der mysteriösen Vereinigung von beiden beruht.
In Deutschland behaupten einige Gelehrten, daß man in Jacob Böhme´s Werken tiefe Ansichten von der physischen Welt antrifft. Wenigstens läßt sich sagen, daß in den Hypothesen der religiösen Philosophen über die Schöpfung eben so viel Originalität enthalten ist, als in denen des Thales, Xenophones, Aristoteles, Descartes und Leibnitz. Die Theosophen erklären, daß alles, was sie denken, ihnen offenbart sey, während die Philosophen im Ganzen sich von ihrer eigenen Vernunft geleitet glauben. Da aber die einen, wie die andern, das Geheimniß der Geheimnisse ergründen wollen: was bedeutet auf dieser Höhe die Wörter Vernunft und Narrheit? Und warum mit der Benennung von Wahnsinnigen diejenigen brandmarken, welche in der Exaltation große Einsichten zu finden wähnen? Hier ist eine Bewegung des Gemüths von merkwürdiger Beschaffenheit; eine Bewegung, die demselben wahrlich nicht gegeben ist, um sie zu bekämpfen.
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Achtes Capitel. Von dem Sectengeist in Deutschland.
Die Gewohnheit des Nachsinnens führt zu allerlei Träumereien über die menschliche Bestimmung. Nur das thätige Leben kann unser Interesse von der Quelle der Dinge ableiten; allein alles, was in dem Gebiete der Ideen Großes oder Abgeschmacktes ist, muß als das Resultat der innern Bewegung gedacht werden, die man nicht nach außen hin zerstreuen kann. Viele sind so aufgebracht gegen religiöse oder philosophische Secten, daß sie ihnen die Benennung von Narrheiten und gefährlichen Narrheiten geben. Mir scheint es, daß selbst von den Verirrungen des Gedankens für die Ruhe und die Moralität der Menschen weit weniger zu befürchten sey, als von der Gedankenlosigkeit. Trägt man die Macht des Nachdenkens als Ersatz für materielle Thätigkeit nicht in sich, so muß man unaufhörlich und bisweilen auf gut Glück thätig seyn.
Wahr ist, daß der Fanatismus der Ideen bisweilen zu gewaltsamen Handlungen geführt hat; aber das geschieht nur dann, wenn man die Vortheile dieser Welt mit Hülfe abstracter Meinungen hat erhöhen wollen. In sich selbst sind metaphysische Systeme wenig gefährlich; sie werden es erst dann, wenn sie mit ehrgeizigen Entwürfen gepaart sind, und in einem solchen Falle muß man sich mit diesen Entwürfen befassen, wenn man die Systeme verändern will. Aber Menschen, welche sich, unabhängig von den Resultaten, lebendig an eine Meinung festklammern können, sind immer von einer edlen Natur.
Die philosophischen und religiösen Secten, welche, unter verschiedenen Benennungen, in Deutschland existirt haben, hatten beinahe gar keine Beziehungen auf politische Angelegenheiten; und jene Art des Talents, welche erfordert wird, um die Menschen zu kraftvollen Entschließungen zu führen, hat sich in diesem Lande sehr selten gezeigt. Man kann über die Kantische Philosophie, über theologische Fragen, über Idealismus oder Empirismus streiten, ohne daß daraus noch etwas mehr hervorgeht, als Bücher.
Sectengeist und Partheigeist unterscheiden sich in mancher Hinsicht. Der Partheigeist stellt die Meinungen von der grellsten Seite dar, um sie dem großen Haufen faßlich zu machen; und der Sectengeist, vorzüglich in Deutschland, strebt immer nur nach dem Abstraktesten. In dem Partheigeist muß man den Augenpunkt der Menge auffassen, um sich in denselben zu stellen; die Deutschen aber denken nur auf Theorie, und sollte sie sich in die Wolken verlieren, so folgen sie ihr dahin. Der Partheigeist regt in den Menschen gewisse gemeine Leidenschaften an, die sie in Masse vereinigen; die Deutschen machen, wer weiß, wieviele Unterabtheilungen, um zu erklären, zu unterscheiden, zu commentiren. Sie besitzen eine philosophische Aufrichtigkeit, welche wunderbar zur Erforschung der Wahrheit paßt, keinesweges aber zu der Kunst, sie ins Werk zu richten. Der Sectengeist will nur überzeugen; der Partheigeist will Massen bilden, Der
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