Ueber Deutschland
machen! Es ist eine schöne Sache um das Talent, mein Sohn. Die Menschen suchen oft, es anzuschwärzen; sie sagen, daß wir es im Namen Gottes verdammen, und das ist doch nicht wahr. Es ist eine göttliche Bewegung, welche die Beredsamkeit einhaucht, und wenn Du sie nicht gemißbraucht hast, so verstehe den Neid zu ertragen; denn eine solche Ueberlegenheit ist wohl der Leiden werth, die sie gebären kann.
Indeß, mein Sohn, fürchte ich, der Stolz mische sich in Deine Leiden, und sieh, das gerade würde ihnen Bitterkeit geben; denn alle Schmerzen, bei welchen man demüthig bleibt, pressen nur sanfte Thränen aus, aber im Stolze ist Gift, und der Mensch wird wahnsinnig, wenn er sich ihm hingiebt. Dies ist ein Feind, der sich zu seinem Ritter macht, um ihn desto sicherer zu verderben.
Das Genie soll uns dienen, die überschwängliche Güte des Herzens an den Tag zu legen. Viele Menschen haben diese Güte, ohne das Talent, sie auszudrücken. Danke Gott, daß Du den Zauber der Worte besitzest, der gemacht ist, die Einbildungskraft der Menschen zu leiten. Aber sey nur stolz auf das Gefühl, das diese Worte dictirt. Alles wird sich in Dir besänftigen, wenn du immer religiös gut bleibst; die Bösen selbst werden ermüden. Dir weh zu thun; denn ihr Gift erschöpft sich. Und dann, giebt es denn nicht einen Gott, der den Sperling, welcher vom Dache fällt, und das Herz des leidenden Menschen mit gleichem Erbarmen umfaßt?
Du sagst, daß deine Freunde Dich verrathen wollen. Nimm Dich aber wohl in Acht, eine ungerechte Klage gegen sie zu erheben. Wehe dem, der irgend ein liebendes Gefühl zurückgewiesen; denn die Engel des Himmels senden uns dergleichen, und haben sich diesen Theil in dem Schicksal des Menschen vorbehalten. Gestatte deiner Einbildungskraft nicht, Dich in die Irre zu führen. Mag sie immerhin in den Regionen der Wolken schweben; aber nur das Herz urtheilt über ein anderes Herz, und Du würdest sehr schuldig seyn, wenn Du eine aufrichtige Freundschaft verkennenest. Denn die Schönheit des Gemüths besteht in seinem großmüthigen Vertrauen, und die menschliche Klugheit wird dargestellt unter dem Bilde einer Schlange.
Wohl wäre es möglich, daß Du zur Abbüßung einiger Verirrungen, von welchen deine großen Fähigkeiten die Ursache sind, auf Erden verdammt wärest, die vergiftete Schaale des Verraths eines Freundes zu trinken. Sollte dem also seyn, so beklage ich Dich; die Gottheit selbst hat Dich beklagt, indem sie Dich bestrafte. Aber empöre Dich nicht gegen ihre Züchtigungen; liebe noch immer, wenn gleich Lieben dein Herz zerrissen hat. In der tiefsten Einsamkeit, in der grausamsten Vereinzelung, muß man die Quelle liebender Gefühle nicht in sich vertrocknen lassen. Seit langer Zeit glaubt man nicht, daß Gott geliebt werden könne, wie man seinen Nächsten liebt. Eine Stimme, die uns antwortet, Blicke, die den unsrigen begegnen, scheinen voll Lebens, während der unermeßliche Himmel schweigt: aber allmählig erhebt sich das Gemüth dahin, daß es Gott wie einen Freund neben sich führt.
Mein Sohn, beten muß man, wie man liebt, indem man das Gebet in alle Gedanken mischt. Man muß beten, weil man dann nicht allein ist. Und wenn die Ergebung sich zu Dir herabläßt, so wende deine Blicke nach der Natur hin; denn hier findet Jeder die Vergangenheit seines Lebens wieder, wenn unter den Menschen davon keine Spur mehr anzutreffen ist. Sinne über deinen Kummer, wie über deine Freuden, indem Du die Wolken betrachtest, die, bald düster, bald glänzend, von dem Winde verjagt werden. Und es sey nun, daß der Tod Dir deine Freunde geraubt, oder daß das noch grausamere Leben die Bande zerrissen habe, die Dich mit ihnen vereinigten, so wirst Du in den Sternen ihr vergöttlichtes Bild erblicken; sie werden Dir erscheinen, wie Du sie einstens wiedersehen wirst."
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Siebentes Capitel. Von den religiösen Philosophen, die man Theosophen nennt.
Als ich Rechenschaft abgelegt habe über die neuere Philosophie der Deutschen, habe ich den Versuch gemacht, eine Abmarkungslinie zu ziehen zwischen der, welche es darauf anlegt, die Geheimnisse des Universums zu durchdringen, und der, welche sich auf die Erforschung der Natur unserer Seele begränzt. Denselben Unterschied bemerkt man zwischen den religiösen Schriftstellern. Einige, von welchen ich in den vorhergehenden Capiteln geredet habe, sind bei dem Einfluß der Religion auf unser Herz stehen geblieben; andere, wie Jacob Böhme in
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