Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
Vom Netzwerk:
Wahrheit zum einzigen Zwecke gehabt.
    Zu den Menschen, welche sich bestreben, die Geheimnisse der Natur zu ergründen, muß man auch die Alchymisten, Magnetiseurs u.s.w. rechnen. In diesen vergeblichen Entdeckungen mag sehr viel Narrheit liegen. Aber was kann man Erschreckliches darin finden! Wenn man in den physischen Erscheinungen das erkennte, was man wunderbar nennt, so würde man mit Recht Freude darüber haben. Es giebt Augenblicke, wo die Natur als eine Maschine erscheint, die sich standhaft durch dieselben Triebfedern bewegt, und dann stößt ihre unbeugsame Regelmäßigkeit Furcht ein; aber wenn man in ihr etwas Freiwilliges, wie der Gedanke ist, zu erblicken glaubt, so bemächtigt sich der Seele eine verworrene Hoffnung und entzieht uns dem Starrblick der Notwendigkeit.
    Die Grundlage aller dieser Versuche und aller dieser wissenschaftlichen und philosophischen Systeme schließt immer eine sehr merkliche Tendenz nach der Geistigkeit der Seele in sich. Die, welche die Geheimnisse der Natur entwickeln wollen, sind immer Gegner der Materialisten; denn immer suchen sie in dem Gedanken die Auflösung des Räthsels der physischen Welt. Ohne Zweifel kann eine solche Bewegung in den Geistern zu großen Irrthümern führen; aber es geht damit, wie mit allem Lebendigen: wo Leben ist, da ist auch Gefahr.
    Die einzelnen Bemühungen würden zuletzt immer untersagt werden, wenn man sich der Methode unterwürfe, welche die Bewegungen des Geistes eben so regelte, wie die Disciplin die Bewegungen des Körpers befiehlt. Die Aufgabe besteht also darin, die Fähigkeiten zu leiten, ohne sie zu erdrücken; und es wäre zu wünschen, daß man der Einbildungskraft der Menschen, die noch unbekannte Kunst anpassen könnte, sich auf Flügeln zu erheben und den Flug durch die Lüfte zu leiten.
     ————————

Neuntes Capitel. Von der Betrachtung der Natur.
    Als ich von dem Einfluß der neuen Philosophie auf die Wissenschaften sprach, habe ich bereits einiger von den, für das Studium der Natur in Deutschland angenommenen, Principien erwähnt. Da aber Religion und Enthusiasmus einen so großen Antheil an der Betrachtung des Universums haben, so will ich im Allgemeinen die politischen und religiösen Ansichten anzeigen, die man in dieser Hinsicht in den Werken der Deutschen sammeln kann.
    Einige Physiker, von einem frommen Gefühl geleitet, haben geglaubt, sie müssen sich auf die Erforschung der Endursachen beschränken; sie haben also zu beweisen gesucht, daß alles in der Welt auf die Aufrechthaltung und das physische Wohlseyn der Individuen und Arten abzwecke. Gegen dies System lassen sich, wie ich glaube, erhebliche Einwendungen machen. Ohne Zweifel ist es leicht einzusehen, daß in der Ordnung der Dinge Mittel und Zweck in einem bewundernswürdigen Zusammenhange stehen; aber wo stehen in dieser allgemeinen Verkettung die Ursachen welche Wirkungen, und die Wirkungen, welche Ursachen sind, stille? Will man alles auf die Erhaltung des Menschen beziehen, so wird man nicht ohne Mühe begreifen können, was sie mit den meisten Wesen gemein hat. Außerdem legt man einen allzu großen Werth auf die materielle Existenz, wenn man sie zum letzten Zweck der Schöpfung macht.
    Die, welche, trotz der unermeßlichen Menge von besonderem Unglück, der Natur eine gewisse Gutherzigkeit beilegen, betrachten sie als einen Spekulanten im Großen, der sich auf die Zahl stützt. Dies System paßt nicht einmal für eine Regierung, und gewissenhafte Schriftsteller im Fache der politischen Oekonomie haben es bekämpft. Was würde es erst seyn, wenn von den Absichten der Gottheit die Rede ist? Religiös betrachtet, ist ein Mensch so viel, als das ganze menschliche Geschlecht; und sobald man die Idee einer unsterblichen Seele gefaßt hat, ist es nicht weiter möglich, ein Mehr oder Weniger von Wichtigkeit des Individuums in Beziehung auf Alle zuzulassen. Jedes intelligente Wesen ist von unbestimmbaren Werthe, weil es ewig dauern soll. Die deutschen Philosophen haben also das Universum aus einem höheren Gesichtspunkte betrachtet.
    Einige glauben in allen Dingen zwei Principien zu sehen, die sich unaufhörlich bekämpfen, nemlich das Princip des Guten und das des Bösen; und es sey nun, daß man diesen Kampf einer höllischen Macht zuschreibt, oder, was sich weit einfacher denken läßt, daß die physische Welt das Bild der guten und bösen Neigungen des Menschen seyn könne: so bleibt es immer wahr, daß diese Welt der Beobachtung zwei durchaus

Weitere Kostenlose Bücher