Ueber Meereshoehe
Beamten die Hand, entfernte sich aber nicht sogleich. Zögernd stand sie vor ihm, seufzte einmal, öffnete den Mund und sagte schlieÃlich: »Danke, Sie waren wirklich sehr nett zu uns. Deswegen wollte ich Ihnen sagen â¦Â«
Sie holte tief Luft. Wie ein Boxer, der zum Schlag ausholt, oder ein kleines Kind, bevor es eine Spritze be kommt.
Und in einem Rutsch kam es ihr über die Lippen: »Es ist schlimm, wenn eine Frau Angst hat vor dem Mann, der neben ihr im Bett liegt.«
Und nach einer Pause setzte sie hinzu: »Sagen Sie das doch Ihrer Frau. Dass sie vor Ihnen keine Angst haben muss.«
Nitti starrte sie an, als habe er eine Zahnbrasse vor sich, die plötzlich zu singen begonnen hatte.
Luisa lieà ihm nicht die Zeit, eine passende Antwort zu finden. Ein Augenblick nur, dann hatten ihre muskulösen Beine den Landungssteg schon überwunden, und sie war an Bord.
Auf Wiedersehen hatte auch sie nicht gesagt.
Die Fähre stach in See. Der Strafvollzugsbeamte Nitti Pierfrancesco, ein regloser grauer Fleck auf der Mole aus hellem Stein, sah noch zu, wie sie wendete, um den Hafen zu verlassen, den Bug dem offenen Meer zukehrte und dann am Horizont immer kleiner wurde. Seine Augen waren weit geöffnet, damit alle sehen konnten, dass er sie auf das sich entfernende Schiff gerichtet hatte. Doch tatsächlich war er wie ein Blinder, der auch mit aufgerissenen Lidern nichts zu sehen vermochte, sondern nur Geräusche vernahm. Und das, was der Strafvollzugsbeamte Nitti Pierfrancesco hörte, genauer, was ihm durch den Kopf toste wie die Wellen einer Brandung, waren Luisas Worte, die nun, ähnlich wie das Schiff, das jetzt nur noch ein Pünktchen war zwischen Himmel und Meer, immer mehr abnahmen, bis nur noch ein einziges übrig blieb.
Angst.
Herzallerliebste, du Licht meines Lebens, hast du tatsächlich Angst vor mir?
Den ganzen Tag über war ihm, als stecke ihm eine Seebarbengräte im Hals, ein Seeigelstachel in der Handfläche, ein Nagel im FuÃ. Er musste jedoch bis zum Abend warten, bis sein Dienst zu Ende war, die Ãbergabe erledigt, das Abendessen gekocht und verzehrt und die Kinder ins Bett gebracht worden waren. Erst dann konnte er allein mit Maria Caterina sprechen.
»Was hast du dieser Frau erzählt?«, fragte er sie. »Wie kann sie so etwas zu mir sagen?«
Sie saÃen nebeneinander am Küchentisch. Maria Caterina neigte den Kopf zu einer Seite.
»Was hat sie denn zu dir gesagt?«
»Dass du Angst vor mir hast.«
Maria Caterina sog die Lippen so fest ein, dass sie zahnlos wie eine Greisin aussah. Sie legte das Kinn auf die Brust und sah ihn von unten herauf an.
»Nicht vor dir. Um dich .«
»Was meinst du damit? Sag schon! Was meinst du denn damit?«
Nitti hatte die Stimme erhoben, aber er war es ja nicht, wovor sie Angst hatte.
Sie erzählte ihm, wie oft sie, wenn er heimkam, be unruhigende Spuren auf seiner Uniform entdeckt habe, auf seinen Schuhe oder auch nur in seinem Gesicht â allerdings die beunruhigendsten Spuren überhaupt. Sie wisse, so fuhr sie fort, dass es in einem Gefängnis naturgemäà immer mal wieder zu unschönen Zwischenfällen komme; und wenn er nach so einem Zwischenfall schlechte Laune habe, sei das ganz normal, menschlich, das wisse man vorher, wenn man einen Vollzugsbeamten heirate. Doch manchmal sei er eben nach der Arbeit dermaÃen schweigsam, bedrückt, verschlossen, dass er wirklich gar nichts erzähle und nur auf seinen Teller starre und noch nicht einmal den Kindern ins Gesicht sehen könne, und dann leide sie entsetzlich, denn sie spüre in dem Moment, dass er ihr nicht das verschweige, was ein Häftling getan hatte, denn damit sei ja, wie gesagt, täglich zu rechnen, schlieÃlich säÃen die Leute nicht umsonst im Gefängnis, sondern das, was er â¦
Maria Caterina brach ab, senkte die Lieder und behielt sie einen Moment lang geschlossen, als sei sie eingeschlafen.
»⦠was du getan hast.«
Erst als der Satz drauÃen war, schlug sie die Augen wieder auf.
Er schaute sie nicht an. Die Augen weit geöffnet, war sein Blick zu Boden gerichtet. Er schwieg. Und sie fuhr fort.
»Rede mit mir, Pierfrancé. Ich verspreche dir, ich falle dir nicht ins Wort. Aber mit wem willst du sonst reden, wenn nicht mit mir?«
Der Körper ihres Mannes war vollkommen reglos, doch in seinem Kopf wirbelte ein Sturm, gegen den der Maestrale vom
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