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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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wische ich mir über den Mund. »Puh.«
    Er lacht, streckt die Arme aus und zeigt mir, wie ich ihn zugerichtet habe. »Ist gewöhnungsbedürftig.«
    »Sorry«, sage ich. »Wusste gar nicht, dass das so eklig ist.«
    Als Antwort prostet er mit der Flasche in die Luft und nimmt dann einen Schluck. Ich bin fest entschlossen, es noch einmal zu versuchen, ohne im hohen Bogen auszuspucken. Ich greife nach der Flasche, setze sie an die Lippen und lasse die Flüssigkeit meine Kehle hinunterbrennen, danach nehme ich gleich noch einen Schluck, einen größeren.
    »Sachte«, sagt Toby und zieht mir die Flasche weg. »Ich muss dir was erzählen, Len.«
    »Okay.« Ich genieße die Wärme, die über mich gekommen ist.

    »Ich hatte Bailey gefragt, ob sie mich heiratet …« Das sagt er so schnell, dass ich es nicht gleich mitkriege. Er schaut mich an und versucht meine Reaktion darauf einzuschätzen. Die ist: Was zum Geier soll das, verdammt noch mal!
    »Dich heiraten? Ist das ein Witz?« Sicher nicht die Reaktion, die er sich gewünscht hat, aber ich bin wie vom Schlag gerührt, er könnte mir ebenso gut eröffnet haben, er plane eine Karriere als Feuerschlucker. Die beiden waren erst neunzehn und Bailey hatte eine tief verwurzelte Ehephobie.
    »Was hat sie gesagt?« Ich fürchte mich vor der Antwort.
    »Sie hat Ja gesagt.« Das sagt er mit ebenso viel Hoffnung wie Hoffnungslosigkeit, die Verheißung lebt noch in ihm. Sie hat Ja gesagt . Ich nehme den Tequila, kippe, schmecke nichts und spüre auch das Brennen nicht. Mich verblüfft, dass Bailey das gewollt hat, es verletzt mich, dass sie es gewollt hat, es verletzt mich tief, dass sie es mir nie erzählt hat. Ich muss wissen, was sie gedacht hat, und kann nicht fassen, dass ich sie nicht fragen kann. Nie mehr. Ich schaue Toby an, sehe die Ernsthaftigkeit in seinen Augen, die wie ein weiches kleines Tier ist.
    »Es tut mir leid, Toby.« Ich versuche, meine Ungläubigkeit und meine verletzten Gefühle zu deckeln, komme dann aber doch nicht dagegen an. »Ich weiß nicht, warum sie mir das nicht erzählt hat.«
    »Wir wollten es euch allen in der Woche darauf erzählen. Ich hatte nur gebeten …« Wie er dieses wir benutzt, das große wir , das waren immer Bailey und ich gewesen, nicht
Bailey und Toby. Plötzlich fühle ich mich von einer Zukunft ausgeschlossen, die nicht mal stattfinden wird.
    »Aber was sollte aus ihrer Schauspielerei werden?«, sage ich statt: Und was sollte aus mir werden ?
    »Sie hat gespielt …«
    »Jaja, aber …« Ich sehe ihn an. »Du weißt, was ich meine.« Und dann sehe ich an seinem Gesichtsausdruck, dass er überhaupt nicht weiß, was ich meine. Klar, manche Mädchen träumen von Hochzeiten, aber Bailey hat von der Juilliard geträumt, der Juillard School in New York City. Ich hab mir mal im Netz die Leitlinie von denen angesehen: Eine künstlerische Ausbildung von größtem Format für begabte Musiker, Tänzer und Schauspieler aus aller Welt zu bieten, sodass sie ihr volles Potenzial als Künstler, Leitende und Weltbürger entfalten können.
    Schon wahr, nach der Ablehnung hat sie sich im letzten Herbst an der Clover-State-Uni immatrikuliert und in keinem anderen College beworben, aber ich war mir sicher gewesen, dass sie es noch einmal versuchen würde. Denn, mal ehrlich, wie könnte sie das nicht tun? Das war ihr Traum.
    Wir lassen das Thema fallen. Der Wind ist stärker geworden und fängt an, im Haus zu klappern. Ich spüre, wie mich Kälte packt und ziehe mir eine Wolldecke vom Schaukelstuhl, die ich mir über die Beine lege. Nach dem Tequila fühlt es sich an, als ob ich zu nichts zerschmelze, das will ich auch, ich will verschwinden. Ich hab das dringende Verlangen, die ganze orange Wand vollzuschreiben. Ich brauche ein Alphabet von aus Büchern herausgerissenen Enden, von aus Uhren gerupften Zeigern, von kalten Steinen, von Schuhen,
in denen nur der Wind allein steckt. Ich lasse den Kopf auf Tobys Schulter fallen. »Wir sind die traurigsten Menschen der Welt.«
    »Jap«, sagt er und drückt einen Augenblick lang mein Knie. Ich ignoriere die Schauer, die mich durchlaufen. Sie wollten heiraten .
    »Wie werden wir das schaffen?«, sage ich leise. »Tag für Tag für Tag ohne sie …«
    »O, Len.« Er dreht sich zu mir, streicht mit der Hand das Haar um mein Gesicht herum glatt.
    Ich warte darauf, dass er seine Hand zurückzieht, sich wieder umdreht, aber das tut er nicht. Weder die Hand noch den Blick nimmt er von mir. Die Zeit läuft langsamer.

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