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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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Finger durch meine Jeans. Jetzt ist meine braune Tüte leer. Er gibt sie mir und dann sind wir still, lauschen dem Rascheln des Windes ringsherum und sehen, wie die Sonne in unmöglich dicken, nebligen Strahlen durch die Mammutbäume dringt – wie in einer Kinderzeichnung.
    Wer ist dieser Typ? Ich habe mit ihm in diesem Baum mehr geredet als mit irgendjemand anderem in der Schule seit meiner Rückkehr. Aber wie kann er Sturmhöhe gelesen und sich trotzdem in Rachel Zickowitzki verliebt haben? Vielleicht weil sie in Fronce gewesen ist? Oder vielleicht, weil sie so tut, als würde sie Musik mögen, von der sonst niemand je gehört hat, wie die der unglaublich beliebten Kehlsänger von Tuva.
    »Neulich hab ich dich gesehen«, sagt er und nimmt den Apfel in die Hand. Er wirft ihn mit der einen und fängt ihn mit der anderen. »An der großen Wiese. Ich hab auf dem Feld Gitarre gespielt. Du warst auf der anderen Seite des
Weges. Es sah aus, als ob du auf einem Auto einen Zettel schreiben würdest, aber dann hast du das Papier einfach fallen lassen -«
    »Verfolgst du mich etwa?«, frage ich und versuche, das plötzliche Entzücken über diese Vorstellung aus meiner Stimme herauszuhalten.
    »Ein bisschen vielleicht.« Er hört auf, den Apfel zu werfen. »Und vielleicht macht mich was neugierig.«
    »Was denn?«, frage ich.
    Er antwortet nicht, zupft Moos von einem Ast. Seine Hände fallen mir auf, seine langen Finger, die voller Schwielen von den Gitarrensaiten sind.
    »Was?«, wiederhole ich, ich brenne darauf zu wissen, was ihn so neugierig gemacht hat, dass er mir auf einen Baum nachsteigt.
    »Es ist die Art, wie du Klarinette spielst …«
    Das Entzücken löst sich in Luft auf. »Ja?«
    »Oder besser gesagt, die Art, wie du nicht spielst.«
    »Was meinst du damit?«, frage ich und weiß genau, was er meint.
    »Du hast jede Menge Technik. Schnelle Griffe, schneller Zungenschlag, dein Klangspektrum, Mann … aber es ist so, als ob es da aufhören würde. Das kapier ich einfach nicht.« Er lacht. Ihm scheint nicht bewusst zu sein, welche Bombe er da eben hochgehen lassen hat. »Es ist, als würdest du schlafen oder so.«
    Das Blut steigt mir ins Gesicht. Schlafwandlerisch spielen! Ich fühle mich ertappt, bin wie ein Fisch im Netz. Könnte ich doch ganz und gar aus dem Orchester aussteigen, so wie
ich es gewollt hatte. Ich gucke in die Bäume, jeder ragt nur von seiner eigenen Einsamkeit umgeben in den Himmel. Er starrt mich an, das spüre ich, und wartet auf eine Reaktion, aber es kommt keine – auf diesem Gebiet ist Unbefugten der Zugang untersagt.
    »Hör mal«, sagt er vorsichtig, denn ihm dämmert endlich, dass sein Zauber an Kraft verloren hat. »Ich bin dir hier raus gefolgt, weil ich fragen wollte, ob wir zusammen spielen können.«
    »Warum?« Meine Stimme ist lauter und aufgebrachter, als mir recht ist. Eine vertraute Panik nimmt meinen Körper schleichend in Besitz.
    »Ich will John Lennon mal in echt spielen hören, ich meine, wer will das nicht, was?«
    Sein Witz macht eine Bruchlandung und verglüht zwischen uns.
    »Nee, ich glaub nicht«, sage ich, als die Schulglocke ertönt.
    »Hör mal -«, fängt er an, aber ich lasse ihn nicht ausreden.
    »Ich will nicht mit dir spielen, klar?«
    »Gut.« Er schleudert den Apfel in die Luft. Ehe er auf dem Boden aufschlägt und ehe er aus dem Baum springt, sagt er: »War sowieso nicht meine Idee.«

7. Kapitel
    ICH WACHE AUF, weil Ennui, Sarahs Jeep, unten auf der Straße hupt. Es ist ein Überfall. Ich wälze mich auf die andere Seite, schaue aus dem Fenster und sehe, wie sie aus dem Auto hüpft, in ihrem altmodischen schwarzen Lieblingskleid und Springerstiefeln, das Haar, endlich wieder blond, zu einem Nest gezupft, die Zigarette zwischen blutroten Lippen in einer gespenstisch weißen Puderschicht. Ich gucke auf die Uhr: 7.05. Sie schaut zu meinem Fenster hoch und winkt mit den Armen wie eine Windmühle im Orkan.
    Ich ziehe mir die Decke über den Kopf und warte auf das Unvermeidliche.
    »Ich bin hier, um dein Blut zu saugen«, sagt sie ein paar Augenblicke später.
    Ich luge unter der Decke hervor. »Du bist umwerfend als Vampir.«
    »Ich weiß.« Sie geht ganz nah an den Spiegel über meiner Kommode und wischt sich mit ihrem schwarz lackierten Finger Lippenstift von den Zähnen. »Ist ein guter Look für mich … Heidi als Goth.« Ohne die Ausstaffierung könnte
Sarah als Goldlöckchen auftreten. Sie ist ein von der Sonne verwöhntes Beachgirl, was sie zu

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