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Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel

Titel: Über mir der Himmel - Nelson, J: Über mir der Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jandy Nelson
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dass ich darauf verzichte, sie herauszufordern. Vielleicht hat sie gedacht, nur so könnte sie ihren Platz behalten.
    Sie beißt sich auf die Lippe. »Und wie wäre es, wenn ich die Solos mit dir teile? Und du kannst -«
    Ich schüttele den Kopf. Sie tut mir schon fast leid. Fast.
»Bis September«, sage ich. »Möge die beste Klarinettistin gewinnen.«
     
    Nicht nur mein Hintern, jeder Quadratzentimeter von mir ist im Wind, als ich aus dem Musiksaal fliege, von der Schule weg und in die Wälder, um nach Haus zu gehen und das Gedicht für Joe zu schreiben. Und an meiner Seite bleibt Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug die unerträgliche Tatsache, dass ich eine Zukunft habe und Bailey nicht.
    Und da weiß ich es.
    Für den Rest meines Lebens wird meine Schwester immer wieder sterben. Trauer währt ewig. Sie vergeht nicht, sie wird ein Teil von dir, Schritt für Schritt, Atemzug für Atemzug. Ich werde nie aufhören, um Bailey zu trauern, weil ich nie aufhören werde, sie zu lieben. So ist das nun mal. Schmerz und Liebe sind miteinander verbunden, man bekommt eines nicht ohne das andere. Ich kann nicht mehr tun als sie lieben und die Welt lieben, ihr nacheifern, indem ich mit Mut und Tatkraft und Freude lebe.
    Ohne darüber nachzudenken, biege ich auf den Pfad zum Waldschlafzimmer ab. Um mich herum toben die Wälder vor Schönheit. Sonne ergießt sich durch die Blätter und der von Farnen bedeckte Boden erstrahlt wie mit Juwelen besetzt. Links und rechts sausen Rhododendren an mir vorbei wie Frauen in märchenhaften Kleidern. Um alle möchte ich die Arme schlingen.
    Als ich am Waldschlafzimmer ankomme, springe ich aufs Bett und mache es mir bequem. Für dieses Gedicht werde ich mir Zeit nehmen, es wird nicht wie all die anderen sein,
die ich hingekritzelt und weggeworfen habe. Ich hole den Stift aus der Hosentasche, ein leeres Blatt Notenpapier aus meiner Handtasche und fange an zu schreiben.
    Ich erzähle ihm alles – was er mir bedeutet, was ich mit ihm gefühlt habe und vorher noch nie, was ich in seiner Musik höre. Ich will, dass er mir vertraut, deshalb lege ich alles bloß. Ich sage ihm, dass ich ihm gehöre, dass mein Herz sein ist, und selbst wenn er mir nie vergibt, wird es dennoch so sein.
    Schließlich ist das meine Geschichte und ich habe mich entschieden, sie so zu erzählen.
    Als ich fertig bin, rutsche ich vom Bett. Dabei bemerke ich ein blaues Plektron, das auf der weißen Decke liegt. Ich muss den ganzen Nachmittag drauf gesessen haben. Ich hebe es auf und identifiziere es sofort als Joes. Er muss zum Spielen hergekommen sein. Ein gutes Zeichen. Ich beschließe, das Gedicht lieber hier für ihn liegen zu lassen, als es in den Briefkasten der Fontaines zu schmuggeln, wie ich ursprünglich geplant hatte. Ich schreibe seinen Namen auf das gefaltete Blatt und lege es aufs Bett – unter einen Stein, damit der Wind es nicht wegweht. Sein Plektron schiebe ich mit unter diesen Stein.
    Auf dem Heimweg begreife ich, dass ich zum ersten Mal seit Baileys Tod Worte geschrieben habe, die jemand lesen soll.

36. Kapitel
    VOR DEMÜTIGUNG kann ich nicht schlafen. Was hab ich mir nur dabei gedacht? Immer wieder stelle ich mir vor, wie Joe mein lächerliches Gedicht seinen Brüdern vorliest und, schlimmer noch, Rachel. Und alle lachen sie über die arme, liebeskranke Lennie, die keine Ahnung von Romantik hat und nur weiß, was sie von Emily Brontë gelernt hat. Ich hab ihm gesagt: Ich gehöre ihm . Ich hab ihm gesagt: Mein Herz ist sein . Ich hab ihm gesagt: Ich höre seine Seele in seiner Musik . Ich spring von einem Hochhaus. Wer sagt denn so was im 21. Jahrhundert? Keiner! Wie ist es möglich, dass so was an einem Tag wie eine gute Idee klingt und am nächsten total bescheuert?
    Sobald es hell genug ist, ziehe ich mir ein Sweatshirt über den Pyjama, und renne durch die Dämmerung zum Waldschlafzimmer, um den Zettel zu holen, aber er ist weg. Ich rede mir ein, dass der Wind ihn weggeweht hat wie all die anderen Gedichte auch. Also ehrlich, wie wahrscheinlich ist es denn, dass Joe da gestern Nachmittag noch aufgetaucht ist. Überhaupt nicht wahrscheinlich.

    Sarah leistet mir Gesellschaft, sie gibt mir Demütigungsunterstützung, während ich Lasagne schichte.
    Sie kann gar nicht an sich halten und kreischt: »Du wirst erste Klarinette, Lennie. Todsicher.«
    »Mal sehen.«
    »Das wird dir garantiert helfen, an einer Musikhochschule aufgenommen zu werden. Sogar an der Juilliard.«
    Ich atme tief durch. Immer

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