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Ueberdog

Ueberdog

Titel: Ueberdog Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg-Uwe Albig
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gut mit uns meint.
    Wenn Patrick aus der Dusche kam, stolz und unbefangen bis zum Übermut, starrte ich manchmal noch seinem verschmitztenHintern hinterher. Manchmal war mir, als wäre dieser Hintern das eigentliche Gesicht, das er der Welt zeigte.
    Denn Patrick war unfähig zur Verehrung. Er war nicht bereit zur Hingabe, zum Ja. Er weigerte sich, zu lobpreisen. Auf den Symposien zum Thema »Celebrity Culture« oder »Codes and Semantics of Public Nervous Breakdowns«, die er mit seinen Kollegen in schlecht gelüfteten Seminarräumen, in schlecht sitzenden Anzügen abhielt, zerpflückten sie die Engel wie Brathähnchen. Sie rissen ihnen Flügel aus, stülpten ihr Inneres nach außen und murmelten anschließend, Fett in den Mundwinkeln, dass die Haut das Beste an ihnen sei.
    Es machte mir nichts aus, dass er unsere Miete bezahlte. Immerhin bekam auch ich etwas Geld für meine Bilder, von der Agenda Hamburg oder der Gesellschaftsseite der Abendpost . Ich verkaufte Fotos an Blätter wie Spell oder Mars//Venus ; an Bildredakteurinnen, die unter Schwarzweißfotos saßen, Kräutertee tranken und mir Kaffee aus der Glaskanne anboten. Im Vorzimmer saßen Sekretärinnen, quirlten lautlos Waldfrüchte in ihren Joghurt. Und ich war froh, kein Seidentuch in die Tasche meines marineblauen Blazers gesteckt zu haben.
    Es gab Tage, an denen ich froh war, für ein paar Stunden allein zu sein. Hinter unserer Stahltür in der Bernstorffstraße arrangierte ich dann Gladiolen in hüfthohen Glasvasen, trug die Espressotasse vor mir her. Ich ging mit gerecktem Kreuz unter hohen Decken, betrat den Erker mit dem Wintergarten, ordnete die Ranken der Zierkürbisse. Mit weichen Schritten tanzte ich durchs Licht, zum Jubel von Wasser- und Feuerwerksmusiken. Ich zog die Brokatvorhänge auf und zu, lag in verlockender Pose auf dem Sofa. Jeden Moment konnte das Publikum kommen.
    Dann kam nur Patrick.
    Patrick fand mich sofort, wo immer ich mich aufhielt. Er setzte einen Kuss auf meinen Mundwinkel, sah mir treu in die Augen. Patricks Treue zog mir den Hals zusammen, versetzte mich in Atemnot, in Erstickungsangst; hustend streichelte ich seine Wange. »Ich liebe das«, sagte er. »Mach das noch mal.«
    Manchmal rief ich Patrick von unterwegs an; ich wusste nie, was er gerade machte. Ich fragte auch nie nach. Oft hörte ich den Klang einer DVD, einen Fetzen Tarantino, einen grimmigen Ausruf: »Was zum …« Oft klang Patrick wie sediert, wie in Trauer, sprach, als redete er mit sich selbst: »Ich sollte mal wieder mehr ausgehen. Damit mir nicht der Deckel auf den Kopf fällt.«
    »Die Decke«, wollte ich sagen, doch ich hielt den Mund.
    »Mach’s gut, Patrick«, sagte ich mit einem Mitleid in der Stimme, das mich stutzig gemacht hätte, wäre ich an seiner Stelle gewesen.
    Manchmal las mir Patrick aus Zeitschriften vor. Er wurde nicht müde, diese Blätter zu kaufen; er analysierte sie, er glaubte, sie könnten mir gefallen. Er glaubte nicht an Schönheit, an Größe, an Style; er glaubte das, was über die Schönen, die Großen und die Styler geschrieben wurde. Er glaubte, das könnte ihm etwas über die »Gesellschaft« erzählen. In seinem Mund klangen ihre Namen wie Figuren aus den Büchern, die er seinen Studenten zum Fraß vorwarf; wie ausgedachte Buchstabenfolgen, die ausgedachte Wesen bezeichneten. In dem munteren Singsang seiner Stimme konnte ich hören, dass er nicht an sie glaubte. Er hatte die Liebe nicht.
    Wenn er durch die Wohnung lief, im Frotteeschlafanzug mit Bündchen, die ihm in die Haut schnitten, vertraute er blind seinen Muskeln, seinen Grübchen, seinen langen Wimpern, seinem weichen Mund über dem harten Kinn. Er wusste, dass er gut roch. Manchmal erwischte ich ihn dabei, wie er unter seinen Armen schnüffelte.
    Manchmal belauschte ich ihn auch im Schlaf, um zu erfahren, ob er ein Geheimnis hatte. Er sprach vom Atomausstieg, von einem Wesen namens »Glock«. Wenn wir nachmittags im Bett lagen, bevor er sich an seine Vorbereitungen machte, flüsterte er mir Komplimente ins Ohr, sagte: »Wir habens schon gut.«
    Ich schwieg. Ich schaute kurz zur Seite, vermied seinen Blick. Ich sah die brillanten Kontraste von Elaine Turringtons schwarzweißem Jeff-Braxton-Porträt an der Wand, sah Sonnenstrahlen durch die Jalousien fallen und im Aluminiumrahmen aufblitzen. Dann spürte ich eine Nase in meiner Halsbeuge und eine Erektion an meinem Knie, und Jeff Braxtons Saxophon bohrte sich in einen schwarzgefiederten Himmel und löste sich in

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