Ueberfall auf Skytown
Wohnzimmer. Er stand auf, als Charity und Net hereinkamen, und sofort sprangen Christopher und Jack von Charitys Armen und stürzten sich mit Kriegsgeheul auf ihn. Net holte Luft, um sie zurückzupfeifen, schüttelte dann aber nur den Kopf und deutete auf den Tisch. »Setzt euch«, seufzte sie. »Wir essen später, sobald dein Indianer und meine Söhne vom Kriegspfad zurück sind. Außerdem ist da noch jemand, der auf dich wartet.« Sie trat zur Seite, und Charity war für einen Moment so überrascht, daß sie mitten im Schritt stockte. An dem großen Glastisch in Nets Wohnzimmer saßen Melissa und ihre Mutter. »Die beiden sind vorbeigekommen, um sich bei dir zu bedanken«, sagte Net. »Ich habe sie gebeten, zum Essen zu bleiben – vorausgesetzt, du hast nichts dagegen.« »Natürlich nicht«, antwortete Charity bestimmt. Ganz im Gegenteil – sie freute sich ehrlich, das Mädchen und seine Mutter wiederzusehen. Die Marines hatten Melissa, Walter und sie in einem Jet verfrachtet und mit Höchstgeschwindigkeit zur Basis zurückgeflogen, und sie hatte nicht einmal richtig Zeit gehabt, sich von der Kleinen zu verabschieden. Um so überraschter war Charity nun, als sie das Mädchen und seine Mutter wiedersah. Sowohl Melissa als auch ihre Mutter hatten sich auf ganz erstaunliche Weise verändert. Ihre zerrissenen Kleider waren verschwunden und hatten den einfachen, aber kleidsamen Overalls Platz gemacht, die hier in der Basis allgemein getragen wurden. Sie wirkten beider jünger, als Charity sie in Erinnerung hatte, was wahrscheinlich daran lag, daß sie vielleicht zum erstenmal im Leben sauber und frisch gewaschen waren und gekämmtes Haar hatten. Charity war erstaunt, wie attraktiv Melissas Mutter war. Wäre der Ausdruck tief eingegrabener Furcht in ihren Augen nicht gewesen, hätte sie eine wirkliche Schönheit sein können. Charity wartete zwei oder drei Sekunden lang vergeblich darauf, daß einer der beiden irgend etwas sagte, dann trat sie einen weiteren Schritt auf den Tisch zu und zwang ein nicht ganz geglücktes Lächeln auf ihr Gesicht. »Hallo«, sagte sie. »Das ist aber wirklich eine Überraschung.« Melissas Mutter sagte nichts, doch das Flackern in ihrem Blick verstärkte sich. Ihre Tochter jedoch erwiderte Charitys Lächeln ganz offen. »Wir wollen uns noch einmal bedanken«, sagte sie. »Der Mann im Lazarett hat gesagt, daß wir morgen weg müssen, aber daß Sie wahrscheinlich nichts dagegen hätten, wenn wir noch einmal herkommen, um auf Wiedersehen zu sagen.« Charity warf Hartmann einen fragenden Blick zu. »Wir bringen sie in ein Auffanglager«, sagte er. »Das hier ist eine Militärbasis.« Bei dem Wort Lager blitzte es in den Augen der jungen Frau neben Melissa erschrocken auf, und Hartmann fügte rasch hinzu: »Das ist nichts Schlimmes. Wir bringen alle dorthin, die wir draußen in der Wildnis antreffen. Sie werden dort endgültig gesund gepflegt und lernen ein paar einfache Regeln, nach denen unsere Gesellschaft funktioniert.« Die Worte schienen keine besonders beruhigende Wirkung auf Melissas Mutter zu haben. Vermutlich verstand sie nicht einmal richtig, was Hartmann ihr zu sagen versuchte – und wie auch? Wenn Charitys Vermutung stimmte, dann hatten diese Menschen ihr ganzes Leben in Höhlen, unterirdischen Stollen und Kellern verbracht, ununterbrochen auf der Flucht und vermutlich immer voller Angst. Niemand konnte realistisch erwarten, daß sie Hartmann oder auch Charity trauten. »Ich… möchte nicht dorthin«, sagte sie schließlich, schleppend und mit angstvoll gesenktem Blick. Ihre Finger spielten nervös an der Tischkante. »Wir wollen nach Hause.« Hartmann wollte widersprechen, doch Charity brachte ihn mit einem warnenden Blick zum Verstummen, ging um den Tisch herum und setzte sich neben die junge Frau auf die Couch. Sie vermied es, sie zu berühren, um sie nicht noch mehr zu erschrecken. »Das verstehe ich gut… wie ist dein Name?« »Sandra«, antwortete die junge Frau. Sie sah Charity nicht an. »Das verstehe ich gut, Sandra«, begann Charity von Neuem. »Das alles hier muß sehr fremd für dich sein, und sehr erschreckend. Aber du kannst nicht nach Hause.« »Warum nicht? Wir haben nichts getan!« »Natürlich nicht«, antwortete Charity. »Aber das, was du bis jetzt als dein Zuhause angesehen hast, existiert nicht mehr. Und es ist dort viel zu gefährlich. Ihr könnt nicht zurück.« »Aber wo sollen wir hin?« fragte Melissa. »Ihr bleibt
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