Ueberfall auf Skytown
Waffen bestückt waren. Der leblose Eindruck täuschte. Charity wußte, daß die Maschinen im Notfall binnen weniger Minuten startbereit sein konnten. Jedes einzelne der zwölf Meter langen, deltaförmigen Schiffe verfügte über zwei Hochenergie-Laser, Abschußvorrichtungen für zwei Dutzend Raketen und eine Miniatur-Railgun, die sich unter dem gesamten Rumpf entlangzog und den Vipern ein bißchen das Aussehen jener dreieckigen Spielzeugflugzeuge verlieh, die Charity aus ihrer Kindheit kannte und die man mit einem Gummiband abschoß, um sie dann prinzipiell auf der Garage des Nachbarhauses oder in den obersten Zweigen eines Baumes wiederzufinden. Darüber hinaus gab es noch eine Reihe weiterer, sekundärer Waffen und Störsysteme, welche die Vipern zusammen mit dem überdimensionierten Staustrahl-Triebwerk zur wohl schnellsten und gefährlichsten Kampfmaschine machten, die auf diesem Planeten jemals gebaut worden war. Und die Vipern hatten noch einen, im Moment sogar ganz besonders großen Vorteil: Weder Seybert noch irgendein anderes Mitglied des Rates wußten etwas von ihrer Existenz. Charity ging langsam, beinahe ziellos, zwischen den mathematisch präzise aufgereihten Raumjägern hindurch. Sie war allein. Ihre Schritte verursachten hallende, sonderbar helle Echos auf dem Betonfußboden, und sie hatte das Gefühl, daß in den zurückgeworfenen Geräuschen noch mehr war; ein lautloses, vertrautes Wispern und Locken, das Geräusch der Kraft, die in diesen stählernen Dreiecken gebändigt war und nur darauf wartete, endlich entfesselt zu werden. Sie nahm den vertrauten Geruch von Maschinenöl in sich auf, von heißem Schmiermittel und Kunststoff, von Metall und Kerosin… das war etwas, was sie bei den Moroni-Jets vermißte. Die scheibenförmigen Raumjäger waren absolut steril, zweckmäßige Maschinen ohne überflüssigen Schnickschnack, und ohne Charakter. Und so ganz nebenbei war vermutlich ein einziges davon in der Lage, diese ganze Jäger-Schwadron vom Himmel zu fegen. Drasko hatte recht, dachte Charity mißmutig. Sie bastelten an einer Technologie, die der, die sie bereits besaßen, um mindestens fünfhundert Jahre hinterherhinkte. Sie spürte, daß sie nicht mehr allein war, aber sie drehte sich nicht herum, sondern lauschte nur auf das Geräusch der Schritte und erkannte an ihrem Rhythmus, daß Hartmann sich näherte. Charity war froh, daß er es war, und nicht Skudder, denn Skudder hätte nur an ihre Vernunft appelliert und versucht, sie irgendwie zu beruhigen, und das konnte sie im Moment am wenigsten gebrauchen. Sie war nicht in der Stimmung, vernünftig zu sein, und sie wollte sich aufregen, verdammt noch mal. »Ich wußte, daß ich dich hier finde«, sagte Hartmann leise und erst nach endlosen Sekunden. Charity konnte hören, wie er lächelte, als er weitersprach. »Sie sind wunderschön, nicht?« Statt zu antworten, trat sie näher an eine der Vipern heran und strich behutsam mit den Fingern über die Spitze einer der Deltaflügel. Je nach dem Winkel des einfallenden Lichts schimmerte der graue Lack, als wären Milliarden mikroskopisch kleiner Diamantsplitter darin eingeschlossen; eine spezielle Beschichtung, die nahezu hundert Prozent des auftreffenden Lichts reflektierte. Zumindest gegen die Laserwaffen, mit denen sie es bisher zu tun gehabt hatten, boten sie einen wirksamen Schutz. Nicht hundertprozentig, aber es war das Beste, was sie hatten. Wie alles, dachte Charity. Das Beste, das wir haben. Es klang gut, aber es konnte auch bedeuten, daß es eben nicht reichte. »Wie kann etwas so Tödliches so schön sein?« fragte Charity leise. »Ich finde sie nicht schön«, erwiderte Hartmann. »Es sind Waffen. Sie sind zu keinem anderen Zweck da, als zu zerstören und zu töten. Es ist die Faszination der Macht, die du spürst. Du glaubst nur, sie wären schön.« Charity drehte sich herum und musterte ihn einen Moment lang verwirrt, ehe sie das verräterische Glitzern in seinen Augen bemerkte. »Woher hast du diesen Satz?« fragte sie. »Aus dem Handbuch für Hobbypsychologen?« »Aus dem gleichen Kitschroman, aus dem du die Frage hast, wieso sie so schön sind«, antwortete Hartmann todernst. »Außerdem wollte ich dich nur auf das vorbereiten, was du zu hören bekommst, wenn Seybert diese Schiffe sieht.« »Wird das der Fall sein?« Hartmann hob die Schultern. »Früher oder später«, murmelte er. »Ich fürchte, auf die Dauer werde ich es nicht vor dem Rat verheimlichen
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