Überfall im Hafen
— dem besten — anliefern.
Das machte keine Mühe, ging schnell,
war allerdings teuer. Doch Christian hockte nicht auf seinem Geld. Er war
großzügig — zu jedermann und besonders zu ihr.
Erika lächelte. Sie war zwölf Jahre
jünger als ihr künftiger Mann und doch sah sie ihn manchmal wie einen großen
Jungen.
Sie trat zur Tür.
Nachdem sie fünfmal geklingelt hatte,
wurde sie unruhig.
Sonst kam er immer sofort, um zu
öffnen.
Natürlich war er zu Hause. Vor weniger
als 20 Minuten hatten sie miteinander telefoniert.
Er bat sie, etwas früher zu kommen. Sie
sollte sich um die Mittagstafel kümmern, wenn um 12 Uhr der Party-Service
anrückte.
Hermann Sauerlich und seine jungen
Freunde wurden zur gleichen Zeit erwartet. Den Jugendlichen wollte Christian
den Garten zeigen und — natürlich — seine Kunstschätze.
Vor allem die geliebten Gemälde.
Sie klingelte abermals.
Nichts rührte sich.
Was hatte er gesagt — am Telefon?
„Außerdem habe ich etwas Schönes für dich. Es ist klein, kostbar, funkelt und
liegt auf dem Cocktailtisch. Beeil dich, Schatz!“
Wieder drückte sie auf die Klingel.
Etwas Schönes für mich, dachte sie —
und begann, auf dem Kiesweg das Haus zu umrunden.
Christian und seine Rätsel! Er war eine
versponnene Natur, umgab alles mit einem Geheimnis. Sogar den Hochzeitstermin,
den er geplant hatte, hielt er geheim. Es sollte eine Überraschung für sie
werden.
Sie gelangte hinters Haus und trat auf
die Terrasse.
Unter der großen Buche hüpften Amseln
und Stare.
Die Tür zu dem großen Terrassenzimmer
stand offen.
Erika blieb stehen. Erschreckt weiteten
sich ihre Augen.
Die Scheiben der Tür waren zerbrochen.
Splitter bedeckten den Boden.
Ihr Herz begann zu jagen. Zögernd trat
sie über die Schwelle. Im nächsten Moment schrie sie auf. Ihre Knie gaben nach.
Bewußtlos brach sie zusammen.
*
„Das nenne ich einen Empfang!“ sagte
Karl. „Wir sind pünktlich wie die Maurer, und hier ist niemand zu Hause.“
Sie standen vor der Verden-Villa:
Sauerlich und die TKKG-Bande.
Eben läutete eine Kirchturmuhr in der
Ferne den hohen Mittag ein. Ringsum zwitscherten Vögel. Aber niemand kam zur
Tür, um zu öffnen.
„Verstehe ich nicht“, murmelte
Sauerlich.
„Wahrscheinlich sind alle in der Küche
und bereiten zwölf Mahlzeiten vor“, meinte Klößchen. „Auch wenn wir nur zu
siebt sind — daß ich ein starker Esser bin, hat sich garantiert rumgesprochen.
Zwölf Portionen, mindestens zehn, sollten es sein.“
Tim tappte zu dem kleinen Sportwagen
und legte die Hand auf die Motorhaube.
„Warm. Wurde, schätzungsweise, vor 20
Minuten gefahren.“
„Ich klingele noch mal“, sagte
Klößchens Vater — und tat’s.
„Vielleicht soll’s ein Picknick
werden“, mutmaßte Tim, „und das Verlobungspaar ist hinten im Garten. Ich peile
mal die Lage.“
Er stiefelte los.
Als er an der Schmalseite des Hauses
entlang schnürte, hörte er, daß Gaby ihm nachkam. Ihre Schritte hätte er aus
einer Militärparade herausgehört.
Sie holte ihn ein; und er nahm ihre
Hand.
So bogen sie um die Hausecke und sahen
die Terrasse.
Gaby schrie auf.
Tim ließ sie los — und kniete auch
schon neben der jungen rothaarigen Frau, die vor der Terrassentür lag.
Keine Verletzung! stellte er fest. Wohl
nur ein Ohnmachtsanfall mit Blutleere unter den Strähnen und...
Sie schlug auch schon die Augen auf.
„Tim!“ flüsterte Gaby.
Sie kniete an der anderen Seite der
Frau und starrte an ihm vorbei zur Tür. Das Entsetzen in ihrer Miene ließ ihn
herumfahren.
Was er sah, lähmte ihn — für ein, zwei
Sekunden.
Die Scheiben der Tür waren
eingeschlagen. Halb offen stand sie. Der Raum dahinter hatte die Ausmaße einer
Halle. Gemälde aller Größen bedeckten die Wände und hingen dichter als im
Louvre (Pariser Kunstmuseum ).
Ein einzelner Sonnenstrahl, der sich
durch ein Seitenfenster hineinstahl, erreichte den Mann, der reglos auf dem
Boden lag. War er tot?
Er lag vor der jenseitigen Wand,
bäuchlings, hatte ein Gemälde von der Wand gerissen und halb unter sich
begraben. Seitlich am Kopf des Mannes war viel frisches Blut.
23. Ein Junge floht seinen Hund
Kommissar Ohnesorge gehörte zwar nicht
zur Mordkommission , vertrat aber jetzt seinen zuständigen Kollegen —
vielleicht, weil der dienstfrei hatte; vielleicht, weil Ohnesorge einige der
Beteiligten kannte.
Als er eintraf, konnte er sich eine
Bemerkung nicht verkneifen.
„Ich weiß nicht, woran es liegt
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