Überfall im Hafen
baute sich vor ihnen auf.
„Wir haben die Frage vernommen“, sagte
Tim. „Aber wir sind uns noch nicht schlüssig, ob wir antworten. Oder sind wir
hier in Ihrem Privat-Zoo? Falls nicht, geht es Sie einen Dreck an, was wir hier
machen.“
Ein hechelnder Laut erklang. Aber das
war nicht der Hund, sondern sein Herrchen.
„Unverschämter Lümmel! Dies ist ein
Wald und kein Bolzplatz. Ihr verschreckt das Wild, zertrampelt die Pflanzen,
brecht Zweige ab und werft glühende Zigarettenreste ins Gras. Verschwindet!
Sonst mache ich euch Beine.“
„Ist unmöglich!“ sagte Tim. „Wir müssen
auf unsere Hunde warten. Die sind uns eben abgehauen und streifen hier rum.
Meine Dogge hat sich auf Rehe spezialisiert. Gabys Dobermann fällt über alles
her. Aber dann gibt es immer eine Beißerei mit Karls Schäferhund. Weil der so
bösartig ist.“
Der Weidmann schnappte nach Luft.
„Doch inzwischen könnten wir das
Lagerfeuer austreten“, sagte Karl, „das wir dort hinten entfacht haben — im
Dickicht. Es war noch ziemlich viel Glut unter der Asche.“
Der Weidmann riß sein Gewehr von der
Schulter. „Rührt euch nicht von der Stelle!“ befahl er.
Sein Hund knurrte.
„Wie ist das eigentlich mit Ihnen?“
fragte Tim. „Sie haben sicherlich einen Jagdschein, wie? Ich meine nicht den
behördlichen Freibrief, der Ihnen fortgeschrittenen Schwachsinn bescheinigt,
sondern den Berechtigungsausweis, hier jagen zu dürfen. Haben Sie den? Ich
glaube nicht. Freunde, ich glaube, das ist ein verkleideter Wilddieb. Jetzt
werden wir mal auf zwei Fingern pfeifen, damit unsere Bestien kommen und ihn
zerreißen. Seinen Hund natürlich nicht. Als engagierte Tierfreunde nehmen wir
ihn mit. Dann kriegt er endlich ein gutes Plätzchen. Und muß nicht tagein und
tagaus harmlose Wildtiere aufspüren.“
Der Jäger ließ einen gepreßten Schnaufer
hören, zögerte, hängte dann sein Gewehr wieder über die Schulter.
„Jetzt hat er gemerkt, daß er verarscht
wird“, sagte Klößchen.
„Wir haben nämlich gar keine Hunde,
Herr Sonntagsjäger“, stellte Tim richtig. „Und selbstverständlich kokeln,
brennen, zündeln wir im Wald nicht. Raucher sind wir sowieso nicht. Wir
zertrampeln keine Pflanzen, sondern sind naturschutzbesessen. Wir verschrecken
kein Wild und knicken keine Zweige. Das einfach zu behaupten — nur weil wir
hier sind — , ist eine Unverschämtheit. Im übrigen ist der deutsche Wald für
alle da — besonders für Wanderer und Frischluftliebhaber wie wir. Ganz bestimmt
ist er nicht nur für die Wildabschießer da — die sich einbilden, sie wären eine
Elite (Auslese der Besten), und sich aufführen wie ein absolutistischer
King (unumschränkter Herrscher). Mit Ihrem Schießgewehr haben Sie uns
eben grundlos bedroht. Sie ahnen gar nicht, wie dicht dran Sie waren an der
fürchterlichsten Tracht Prügel Ihres Lebens. Und jetzt aus dem Weg! — bevor ich
Ihnen zeige, was ostasiatische Kampfkunst ist.“
„Ihr... ihr... Das... So kannst du
nicht mit... mit mir reden!“ plärrte der Typ.
Tim ging an ihm vorbei und nahm sein
Rad.
Seine Freunde folgten.
Bis auf Gaby. Sie blieb vor dem Hund
stehen und bückte sich etwas.
„Na, gibst du mir die Pfote?“
Das tat er nicht. Aber er ließ sich den
Kopf kraulen.
Mann! dachte Tim. Bin ich in Rage!
Diese Meuchelbrüder, die sich als die großen Heger aufspielen, habe ich
gefressen. Jeden Wanderer, jeden Spaziergänger, jeden Pilzsucher und
Vogelbeobachter würden die aus dem Wald verbannen. Nur damit sie drin
rumschießen können, wie es ihnen paßt.
Die vier Freunde schoben ihre
geliehenen Räder zum Weg und strampelten heimwärts.
22. Kein Mittagsmahl bei Christian Verden
Auch am Pfingstmontag hielt das Schönwetter
an.
Erika Loose, die junge Bildhauerin,
hatte langes kupferrotes Haar und einen fast milchweißen Teint.
Sie trug ein hellblaues Kostüm und
lenkte ihren kleinen Wagen — ein englisches Cabriolet — durch die Einfahrt
zwischen den Marmorpfeilern.
Die Verden-Villa lag abgesondert in
einem Laubwald. Vom Dachgeschoß konnte man auf den Fluß sehen. Früher bot sich
dieser Blick auch von der Terrasse aus.
Aber dann war die Aussicht zugewachsen;
und Christian fand, das sei in Ordnung so.
Erika hielt vor dem Haus. Der Vorplatz
war schmal. Er reichte für ein Halbdutzend Wagen.
Es war halb zwölf. Und sie kam etwas
spät. Christian lebte in der großen Villa allein. Wenn er Gäste erwartete, ließ
er Speisen und Getränke von einem Party-Service
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