Überfall nach Ladenschluß
Landsitze umgaben den See.
Das Haus
war groß, zweigeschossig und modern, obwohl Jahrzehnte alt. Die meisten Fenster
wurden von schmiedeeisernen Gittern geschützt. Bäume säumten die Terrasse. Ein
Steingarten war angelegt.
Helga
fühlte, wie ihr das Herz aufging. Sie stieß einen Juchzer aus und hüpfte über
die Terrasse.
Viele,
viele schöne Stunden werden wir hier verbringen, dachte sie. Gunter, Locke,
Tom, Mike und Nicki — natürlich! Und Locke muß ihre Mausi mal mitbringen.
Albern! Was hat das Mäuschen davon? Doch, vielleicht mag es die Landluft.
Helga
arbeitete den ganzen Tag, ohne müde zu werden. Sie fegte, scheuerte, schrubbte,
putzte Fenster, wischte Staub. Gegen Abend glänzte das Landhaus.
Zuletzt fegte
sie die Terrasse.
Die
Dämmerung kam jetzt rasch. In den weinroten Himmel über den Hügeln mischten
sich violette Streifen. Keine Menschenseele hatte sie gesehen, seit sie hier
war. Die Einsamkeit tat wohl.
Als es
dunkelte, stellte sie ein Windlicht auf den Gartentisch. Die Terrasse lag
windgeschützt. Helga schenkte sich ein Glas Cola ein, setzte sich an den Tisch
und kniff Cocktail-Servietten aus Papier zu Schmetterlingen. Für morgen.
Als sie
dann Gläser polierte, hielt sie plötzlich inne. Indem sie sich umdrehte, sah
sie zum Steingarten.
Aber da war
niemand.
Reglos
verharrte sie.
Das Gefühl,
jemand stünde hinter ihr, blieb.
Körperlich
spürte sie den Blick auf sich. Gänsehaut breitete sich über ihre nackten Arme.
Sie trat
zum Rand der Terrasse, um Steingarten, Hang und den Weg zur Garage besser zu
übersehen.
„Hallo?“
Nur der
Wind flüsterte in Bäumen und Sträuchern. Leise schwappte der See. Und weit,
weit entfernt — hinten bei der Schnellstraße — knallte ein Wagen Fehlzündungen
in die anbrechende Nacht.
„Ist da
jemand?“
Wie dumm,
dachte sie. Natürlich ist niemand da. Und wenn sich jemand versteckt, wird er
nicht antworten. Himmel, wieviele Verstecke gibt es hier eigentlich? Jeder
Busch, jeder Baum lädt dazu ein. Felsbrocken bieten sich an. Und ich bin allein
im Haus. Aber... nein, es ist nichts da, was Einbrecher verlocken könnte. Keine
Angst, Helga! Sei kein Frosch! Überlaß das dem See!
*
Das
Interview mit dem Minister dauerte knapp zwei Stunden.
Gunter war
mit dem Ergebnis zufrieden, fuhr nach Hause, wurde von Nicki, dem Pensionsgast,
mit überschäumender Freude begrüßt und mußte sein Vorhaben, sich sofort an die
Schreibmaschine zu setzen, um eine Viertelstunde verschieben. Nicki bestand
darauf, daß er mit ihm spielte. Sie rangelten um einen großen Lederlappen.
Anschließend fehlten Gunter einige Hautlappen.
Mike, der
dazu kam, zeigte lachend seine Hände, die nicht besser aussahen.
„Er hat
wirklich ein Gebiß wie ein Tiger.“
Zwei
Stunden später war Gunters Artikel fertig.
In der
Kaffeekanne war noch ein Schluck. Er trank ihn und fühlte sich munter, als
hätte der Tag gerade erst begonnen.
„Mike, wann
ist denn das Schulfest zu Ende?“
Locke hat
auf die Tafel geschrieben, zwischen zehn und halb elf wäre sie hier.“
„Pack schon
mal die Zahnbürsten ein. Wir überraschen Helga. Um Mitternacht sind wir am
Froschhauser See.“
Mike
grinste. „Also, Vater, eins ist sicher: Sobald ich einem weiblichen Wesen
begegne, daß mir soviel bedeutet wie Helga dir, dann heirate ich — und wenn’s
morgen wäre.“
„Ich
wünsche es dir“, lachte Gunter.
„Menschlich
komme ich mir wie ein Blindgänger vor. Du und Helga, Locke und Tom — ich bin
der einzige, der noch rumprobiert. Vielleicht ist was mit meinem Charakter
nicht in Ordnung.“
„Keine
Sorge. Das verwächst sich noch. Ist noch Bier da?“
Um 22.25
Uhr wurde Locke von Tom abgeliefert. Nicki schlug Purzelbäume.
„Schiebt
eure Roller in die Garage“, sagte Gunter. „Wir brechen gleich auf. Nicht erst
morgen früh.“
„Klasse!
Stark! Wir können sowieso nicht schlafen“, riefen beide, als hätten sie den
Text verabredet.
„Wie war
das Schulfest?“
„Maßlos
prachtvoll“, behauptete Locke. „Weil wir eine tolle Clique (Sippe) sind.
Wir hatten acht Stunden nur Spaß. Wer macht uns das nach — in diesen schlechten
Zeiten. Tom hat sich als Gitarrist nur bei jedem dritten Ton verspielt. Ich,
sagte man mir, hätte getanzt wie eine Primaballerina (Solotänzerin). Und
von der Mafia war niemand da.“
„Weil du
gerade von der Mafia sprichst“, Gunter wurde ernst. „Im Zusammenhang mit der
Brandstiftung bin ich letzte Nacht auf zwei Namen gestoßen:
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