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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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Sze Yap stammen vom Rand des Deltas, »wo das Land weniger fruchtbar und der Reisanbau weniger
     intensiv ist«.
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Eine umfangreiche Wissenschaftsliteratur beschäftigt sich mit der Messung der asiatischen »Ausdauer«. In einer dieser Untersuchungen
     legte Priscilla Blinco Gruppen von Erstklässlern in Japan und den Vereinigten Staaten ein kompliziertes Puzzle vor und maß,
     wie lange die Kinder daran arbeiteten, ehe sie aufgaben. US-amerikanische Kinder kamen im Durchschnitt auf 9,47 Minuten. Japanische
     Kinder hielten dagegen durchschnittlich 13,93 Minuten durch, also rund 40 Prozent länger.

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|220| Kapitel 9
Maritas Handel
    »Ich habe jetzt nur noch Freunde vom KIPP.«
    1.
    Mitte der Neunzigerjahre öffnete eine staatliche Versuchsschule namens KIPP-Academy in der vierten Etage der Lou Gehrig Junior
     High School in New York City ihre Türen. 32 Die Schule befindet sich im Süden der Bronx, eines der ärmsten Stadtteile von New York City. Gegenüber dem langgestreckten,
     grauen Gebäude aus den Sechzigerjahren befindet sich eine Zeile trostloser Wohnsilos. Einige Straßen weiter verläuft die Stadtautobahn
     Grand Concourse. Es ist kein Wohnviertel, in dem man nach Einbruch der Dunkelheit gern allein auf die Straße geht.
    KIPP ist eine Mittelschule für die Jahrgangsstufen 5 bis 8. Die Klassen sind groß: Die fünfte Klasse besteht aus zwei Gruppen
     mit je 35 Kindern. Es gibt keine Eingangsprüfung und keine Zulassungsvoraussetzungen. Die Schüler werden in einem Losverfahren
     ausgewählt, und jedes Kind, das in der Bronx lebt und die vierte Klasse besucht, kann sich bewerben. Die Schüler sind jeweils
     zur Hälfte Afroamerikaner und Latinos. Drei Viertel der Kinder leben bei einem alleinerziehenden Elternteil. Rund 90 Prozent
     haben Anspruch auf kostenlose oder ermäßigte Schulspeisung, das heißt, ihre Familien sind so arm, dass die Regierung einen
     Zuschuss gibt, damit die Kinder ein vernünftiges Mittagessen bekommen.
    |221| Rein äußerlich erinnert die KIPP-Academy an die Art Schule mit der Art Schüler, die jeden Lehrer zur Verzweiflung bringt.
     Aber schon beim Betreten der Räumlichkeiten wird deutlich, dass hier irgendetwas anders ist. Die Kinder gehen still und im
     Gänsemarsch durch die Gänge. Sie haben gelernt, im Unterricht nach einem festen Protokoll miteinander zu kommunizieren: Sie
     lächeln, sitzen aufrecht, hören zu, fragen nach, stellen Augenkontakt her und nicken, wenn andere mit ihnen sprechen. An den
     Wänden der Flure hängen Hunderte Wimpel der Universitäten, auf denen KIPP-Absolventen studiert haben. Im Vorjahr meldeten
     Hunderte Familien ihre Kinder zur Verlosung von 48 Plätzen der fünften Klasse an. Es ist keineswegs übertrieben zu behaupten,
     dass die KIPP-Academy in den etwas mehr als zehn Jahren ihres Bestehens eine der begehrtesten staatlichen Schulen in ganz
     New York City geworden ist.
    KIPP hat seinen ausgezeichneten Ruf vor allem aufgrund seines Mathematikunterrichts. Im Süden der Bronx erreichen nur 16 Prozent
     aller Mittelschüler im nationalen Jahrgangsvergleich durchschnittliche oder überdurchschnittliche Leistungen in Mathematik.
     Dagegen geben viele KIPP-Schüler nach Abschluss der fünften Klasse an, Mathematik sei ihr Lieblingsfach. Schon in der siebten
     Klasse beginnen die Kinder mit Algebra der Oberstufe. Am Ende der achten Klasse erreichen 84 Prozent aller Schüler im nationalen
     Vergleich durchschnittliche oder überdurchschnittliche Leistungen in Mathematik. Das heißt, dass diese nach dem Zufallsprinzip
     ausgewählten Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die in heruntergekommenen Wohnblocks in einem der verrufensten Stadtteile
     des ganzen Landes leben und deren Eltern in den seltensten Fällen auch nur einen Fuß in eine Universität gesetzt haben, dieselben
     Ergebnisse erzielen wie die privilegierten Achtklässler aus den wohlhabenden Vorstädten. »Die Lesekompetenz unserer Kinder
     ist guter Durchschnitt«, sagt David Levin, der KIPP 1994 mit einem Lehrerkollegen namens Michael Feinberg gründete. »Mit dem
     Schreiben haben sie ein wenig zu kämpfen. Aber wenn sie hier abgehen, sind sie in Mathematik Spitze.«
    |222| Inzwischen gibt es landesweit mehr als 50 KIPP-Schulen, und weitere sind in Vorbereitung. Hinter dem KIPP-Programm steht eines
     der vielversprechendsten Bildungskonzepte der Vereinigten Staaten. Doch der Erfolg hat weniger mit dem Lehrplan, den Lehrern,
     der finanziellen

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