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Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht

Titel: Überflieger - Warum manche Menschen erfolgreich sind und andere nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malcolm Gladwell
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gegenwärtigen Bildungsdiskussionen kaum eine Rolle. Sie gelten wie Football und der Abschlussball
     als heilige und unantastbare Einrichtung im schulischen Alltag. Aber wir wollen sehen, ob die folgenden Testergebnisse aus
     der Grundschule unseren Glauben an den Wert der Sommerferien nicht ein wenig erschüttern können.
    Die Zahlen stammen aus einer Untersuchung des Soziologen Karl Alexander von der Johns Hopkins University. Alexander verfolgte
     die Entwicklung von 650 Erstklässlern der staatlichen Schulen von Baltimore und analysierte deren Abschneiden im California
     Achievement Test, einem verbreiteten Test zur Lese- und Rechenkompetenz. Die folgende Tabelle gibt die Ergebnisse des Lesetests
     der ersten fünf Jahre wieder, aufgeschlüsselt nach der Zugehörigkeit der Schüler zur Ober-, Mittel- und Unterschicht:

    |225| Sehen wir uns die erste Spalte an. Am Ende der ersten Klasse weisen die Schüler erkennbare, wenngleich nicht überwältigend
     große Unterschiede auf. Die Erstklässler aus der Oberschicht haben gegenüber den ärmsten Kindern – die in Baltimore wirklich
     arm sind – einen Vorsprung von 32 Punkten. Machen wir nun einen Sprung in die letzte Spalte: Vier Jahre später hat sich der
     anfangs bescheidene Unterschied zwischen Arm und Reich mehr als verdoppelt.
    Dieser Leistungsunterschied wurde wieder und wieder beobachtet und provoziert in der Regel zwei Reaktionen. Die erste besagt,
     Kinder aus sozial benachteiligten Familien verfügten einfach nicht über dieselben angeborenen Lernfähigkeiten wie Kinder aus
     privilegierten Familien. Mit anderen Worten: Arme Kinder sind dümmer. Die zweite, etwas optimistischere Schlussfolgerung besagt,
     unsere Schulen ließen die Kinder der Unterschicht im Stich: Sie seien nicht ausreichend darauf vorbereitet, sozial benachteiligten
     Kindern die Fähigkeiten zu vermitteln, die sie benötigen. Doch an diesem Punkt wird Alexanders Untersuchung interessant, denn
     sie widerlegt beide Erklärungen.
    Die Schulen von Baltimore ließen ihre Schüler den California Achievement Test nicht nur im Juni, also am Ende des Schuljahres,
     durchführen, sondern auch im September, kurz nach Ende der Sommerferien. Die Ergebnisse dieses zweiten Tests ermöglichten
     Alexander eine Variation seiner Analyse. Ein Vergleich der Ergebnisse vom September und dem darauffolgenden Juni zeigte, was
     die Kinder im Laufe des Schuljahres lernten. Und ein Vergleich der Ergebnisse vom Juni und dem darauffolgenden September zeigte,
     was die Kinder in den Sommerferien lernten. Auf diese Weise konnte er feststellen, inwieweit der Leistungsunterschied mit
     dem Unterricht selbst zusammenhing und inwieweit mit dem, was in den Sommerferien passierte.
    Beginnen wir mit dem Wissenserwerb während des Schuljahrs. Die folgende Tabelle zeigt die Verbesserung der Lesekompetenz zwischen
     dem Beginn des Schuljahrs im September und dem Ende |226| im Juni. Die Spalte »Summe« am Ende gibt wieder, wie viel die Kinder aus fünf Jahren Schulunterricht mitnahmen.

    Diese Tabelle erzählt eine ganz andere Geschichte als die vorherige. In der ersten Tabelle sah es noch so aus, als würden
     Kinder aus sozial benachteiligten Familien in der Schule weniger lernen. Doch nun sehen wir, dass das so nicht stimmen kann.
     Ein Blick auf die Summe zeigt, dass die Kinder der Unterschicht mit 189 Punkten mehr lernen als die Kinder der Oberschicht,
     die nur auf 184 Punkte kommen. Gegenüber der Mittelschicht liegen sie nur um wenige Punkte zurück, und in der zweiten Klasse
     lernen sie sogar mehr als die Kinder aus der Mittel- und der Oberschicht.
    Sehen wir uns nun an, wie sich die Ergebnisse über die Sommerferien verändern.

    Der Unterschied ist erstaunlich. Sehen wir uns die erste Spalte an. Wenn die Kinder aus den wohlhabenderen Familien nach ihren
     ersten Sommerferien im September zurück an die Schule kommen, hat sich ihre Lesekompetenz laut Test um 15 Punkte verbessert.
     Die Kinder aus den sozial benachteiligten Familien erzielen dagegen fast 4 Punkte weniger als vor den Ferien. Das heißt, dass |227| die armen Kinder zwar mehr aus dem Unterricht mitnehmen, jedoch in den Sommerferien gegenüber den privilegierten Kindern zurückfallen.
    Sehen wir uns nun die letzte Spalte an, in der Zugewinne aus den Sommerferien von der ersten bis zur vierten Klasse addiert
     sind. Die Kinder aus der Unterschicht kommen hier auf ganze 0,26 Punkte. Das heißt, Kinder aus den sozial benachteiligten
     Familien lernen

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