Ueberflieger
einer der letzten Jugendweltmeisterschaften 135 Spieler |29| in den drei Monaten nach dem 1. August zur Welt gekommen waren und in den Monaten Mai, Juni und Juli nur 22. Vor einigen Jahren wurde der Stichtag im internationalen Jugendfußball auf den 1. Januar verlegt. Sehen wir uns die tschechische Jugendnationalmannschaft an, die im Jahr 2007 im Endspiel der Weltmeisterschaft stand:
Bei den Auswahlspielen hätten die tschechischen Trainer auch gleich alle in der zweiten Jahreshälfte geborenen Spieler nach Hause schicken können.
|30| Profifußball und -eishockey betreffen natürlich nur eine kleine Gruppe von Auserwählten. Doch wir begegnen denselben Verzerrungen in sehr viel wichtigeren Bereichen, zum Beispiel in der Schulbildung. Eltern, deren Kinder am Jahresende geboren wurden, denken oft darüber nach, diese ein Jahr später einzuschulen, damit sie nicht mit Kindern mithalten müssen, die ein gutes Jahr älter sind. Die meisten Eltern scheinen jedoch davon auszugehen, dass sich ein kleiner Nachteil, den ein jüngeres Kind in der Vorschule hat, im Laufe der Jahre schon ausgleichen wird.
Das ist jedoch nicht der
Fall
. Es ist wie beim Eishockey: Der kleine Ausgangsvorteil, den ein älteres Kind gegenüber einem jüngeren mitbringt, wird eher noch größer. Kinder bleiben über Jahre hinweg in denselben Mustern von Leistung und Schulversagen, Förderung und Frustration gefangen.
Unlängst haben die beiden Wirtschaftswissenschaftlerinnen Kelly Bedard und Elizabeth Dhuey den Zusammenhang zwischen den Ergebnissen im internationalen Mathematik- und Naturwissenschaftstest TIMSS (der alle vier Jahre durchgeführt wird) und dem Geburtsmonat untersucht. Bei einem Vergleich von Viertklässlern stellten sie fest, dass die ältesten Kinder zwischen vier und zwölf Prozentpunkte mehr erzielten als die jüngsten. Das ist ein ganz erheblicher Unterschied. Von zwei gleich intelligenten Kinder, von denen eines zu Beginn und das andere zum Ende seines Jahrgangs geboren wurde, erreicht das ältere zwischen 80 und 100 Prozent und das jüngere zwischen 60 und 80. Das kann bedeuten, dass sich das ältere Kind für ein Förderprogramm qualifiziert und das jüngere nicht.
»Es ist wie im Sport«, erklärte Dhuey. »Wir differenzieren die Kinder schon früh nach ihren Fähigkeiten. Für fortgeschrittene Leser und Rechner haben wir spezielle Klassen. Deswegen verwechseln die Lehrer schon in der ersten und zweiten Klasse Wissen mit Reife. Die älteren Kinder kommen in die Förderklassen, wo sie mehr lernen. Weil sie mehr gelernt haben, sind sie im nächsten Jahr wieder besser; und im nächsten Jahr passiert dasselbe, und ihr Vorsprung wird noch größer. Das einzige Land, in dem das |31| nicht passiert, ist Dänemark. Dort wird vor dem zehnten Lebensjahr keine Differenzierung vorgenommen.« In Dänemark lässt man sich also mit Auswahlentscheidungen Zeit, bis sich die Altersunterschiede weitgehend ausgeglichen haben.
Dhuey und Bedard wiederholten ihre Untersuchung an Universitäten. Dabei fanden sie heraus, dass die jüngste Gruppe des jeweiligen Jahrgangs gegenüber der ältesten um etwa 11,6 Prozent unterrepräsentiert war. Der ursprüngliche Reifeunterschied verschwindet also nicht etwa mit der Zeit, sondern er bleibt erhalten. Für Tausende Schüler kann dieser anfängliche Unterschied bedeuten, ob sie zur Universität gehen und damit eine echte Aussicht auf wirtschaftlichen Erfolg haben oder nicht. 3
»Das ist doch lächerlich«, meint Dhuey. »Unsere willkürliche Festlegung von Stichtagen hat gravierende Auswirkungen, aber das scheint niemanden zu interessieren.«
5.
Denken wir kurz darüber nach, was wir aus der Geschichte über Eishockey und Geburtsmonate über Erfolg lernen können. Sie verrät uns, dass unsere Annahme, die Besten und Klügsten setzten sich dank ihrer besonderen Fähigkeiten mühelos an die Spitze, so nicht stimmen kann. Ohne Frage haben die Eishockeyspieler, die schließlich einen Platz in einer Profimannschaft bekommen, mehr Talent als Sie und ich. Doch sie beginnen auch mit einem erheblichen Vorsprung und mit einer Chance, die sie sich nicht selbst erarbeiten mussten. Und diese Chance war ein entscheidender Erfolgsfaktor.
|32| Der Soziologe Robert Merton nannte dieses Phänomen den »Matthäus-Effekt«, nach einem Vers aus dem Matthäus-Evangelium des Neuen Testaments: »Denn wer hat, dem wird gegeben werden, und er wird in Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen
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