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Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)

Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)

Titel: Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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sich.
    Zunächst bildeten sie die menschlichen Gesichtszüge ihrer Träger exakt wieder. Bis auf das kleinste Detail formten sie diese nach. Selbst kleinste Hautfalten wurden modelliert. Aber diese Gesichter blieben nur für Augenblicke stabil. Dann verwandelten sie sich abermals. Die Augenwülste vergrößerten sich, desgleichen die Kiefer. Innerhalb eines Lidschlags bildeten sich zahnbewehrte, tierische Mäuler. Fauchende Laute mischten sich in den Singsang der Maskenträger hinein. Laute, die an reißende Bestien denken ließen.
    Ihr gesamter Körper schien sich zu verwandeln. Auf ihren Händen zeigte sich im Mondlicht erst ein schwacher, metallischer Schimmer. Einen Augenblick später waren sie ebenfalls mit einer Schicht jenes geheimnisvollen Materials überzogen zu sein, aus denen auch die Masken bestanden.
    Grauenerregende Kreaturen, halb Mensch, halb Tier. Geister der Sonne, so nannten sie sich in diesem Zustand, obwohl sie in Wahrheit Geschöpfe der finstersten Nacht waren. Das war aus ihnen geworden.
    Willige Diener ihres grausamen Herrn und Meisters. Cayamu...
    Der Singsang verebbte. Der Erste der Maskenträger löste sich aus dem Kreis und wandte sich dem Eingang des Ta Prohm zu.
    Nichts konnte ihn aufhalten.
    Er hob die metallisch schimmernde Hand, holte mit einer kurzen Bewegung aus. Die Hand war nicht einmal zur Faust geballt. Sie durchdrang die Tür des Ta Prohm, als hätte sie aus Papier oder getrockneten Palmblättern bestanden. Das dunkle, eisenharte Tropenholz, das im nahen Dschungel geschlagen worden war, splitterte auseinander. Ein fauchender Laut kam dumpf unter der Maske hervor. Ein Laut des Triumphs...
    Ein weiterer, gezielter Schlag ließ die gesamte Tür aus ihren Halterungen herausbrechen und mit einem Höllenlärm auf den Boden schlagen.
     
    *
     
    Ich erwachte schweißnass aus wirren, fiebrigen Träumen. Lange hatte es gedauert, bis ich in dieser Nacht an Toms Seite endlich Schlaf gefunden hatte. Erst hatte ich es auf das ungewohnte Klima und des Jet Lack geschoben. Aber in dieser Sekunde war mir mit einem Schlag klar, dass das eine ganz andere Ursache hatte.
    Eine Prozession von Maskenträgern...
    Ich hatte sie im Traum durch die Straßen Siemreaps gehen sehen. Wie Todesengel wateten sie durch die kniehohen Nebelschwaden, die von den Sümpfen heraufgezogen waren. Ich hatte ihren Singsang gehört.
    Macanuet ketasarem cayamu...
    Aber nun wusste ich, dass das, was ich geträumt hatte, tatsächlich geschehen war.
    Ich stieß Tom an, der neben mir schlief.
    Im selben Moment dröhnte ein Fauchen von draußen herauf. Dann ein hartes Geräusch, wie von splitterndem Holz.
    "Tom, wach auf!", schrie ich, während blankes Entsetzen mir wie eine kalte, glitschige Hand den Rücken hinaufkroch. Ich konnte die Todesgefahr geradezu spüren, in der wir uns jetzt befanden.
    Der Orden der Maske - ich hätte es wissen müssen!, durchschoss es mich wie ein greller Blitz.
    Tom erwachte langsam.
    "Was ist los?"
    "Wir sind in Gefahr!", rief ich, schlug die Decke zur Seite und lief zum Fenster.
    Was ich sah, überraschte mich nur noch bedingt. Die Prozession der weißgewandeten Maskenträger hatte ich zuvor bereits im Traum gesehen. Ihre fratzenhaften Gesichter wirkten wie eine einzige Drohung.
    Tom war blitzschnell auf den Beinen, hatte sich schnell etwas übergezogen. Jetzt stand er hinter mir am Fenster, während er sich das Hemd notdürftig zuknöpfte.
    "Da braucht man nicht viel Phantasie, um zu erraten, dass die unseretwegen hier sind!", meinte er düster. "Wir müssen sehen, dass wir hier wegkommen!"
    "Leichter gesagt, als getan!"
    "Es gibt einen Hintereingang!"
    "Glaubst du nicht, dass die den auch kennen?" In dieser Sekunde ließ ein grauenerregender Schrei uns beide zusammenzucken.
    Es war der Schrei eines Menschen.
    Ein Todesschrei, schauerlicher als alles, was ich zuvor gehört hatte...
    "Das kam von unten!", meinte Tom. "Aus dem Foyer des Ta Prohm..."
    Wir sahen uns an.
    Keiner von uns brauchte es auszusprechen. Wir saßen in der Falle.
     
    *
     
    Der Hotelnachtwächter hieß Samrin. Jede Nacht saß er in der Nähe der Rezeption in einem tiefen Sessel aus Bast. Samrin war irgendwann nach Mitternacht eingeschlafen. Schließlich hatte er tagsüber noch einen Job als Gepäckträger.
    Das krachende Geräusch von splitterndem Holz hatte ihn aus dem Schlaf gerissen. Er blickte in Richtung Tür, sah eine bronzefarbene schimmernde Hand sich hereinstecken. Sie wirkte auf den ersten Blick so hart und

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