Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
leblos, wie die aus Stein gehauenen Hände der Götterstatuen, die zu Hunderten in den Tempeln von Angkor zu finden waren. Aber diese Hand lebte.
Auf unheimliche, bedrohliche Weise.
Im nächsten Moment, als die Tür krachend herausbrach und niederschlug, sprang Samrin auf. Er hechtete in Richtung Rezeption. Dort hatte er eine Kalaschnikow verstaut. Die Gäste mussten die schon ziemlich in die Jahre gekommene Maschinenpistole tagsüber nicht sehen. Das hätte sie nur beunruhigt. Aber für Fälle wie diese musste Samrin gewappnet sein.
Der Nachtwächter riss die Waffe hervor, lud sie mit einer hastigen Bewegung durch.
Die Waffe war gut in Schuss.
Samrin pflegte sie täglich, denn er wusste, dass es keinen Ersatz für sie geben würde.
Den Lauf richtete er auf den unheimlichen Eindringling, der nun das Foyer des Hotels betrat.
Das pure Grauen ließ ihn einen Augenblick stocken, als er der tierhaften Fratze entgegenblickte, zu der das Maskengesicht geworden war.
Ein kurzer Schrei ging über seine Lippen.
Samrin keuchte.
Der Maskenträger trat mit schweren, etwas automatenhaften Schritten über die am Boden liegende Tür.
Ein ohrenbetäubendes Fauchen kam unter der Maske hervor. Samrin feuerte.
Die Kalaschnikow knatterte los. Die Kugeln durchschlugen das weiße Gewand des Maskenträgers.
Mindestens ein Dutzend von ihnen trafen ihn. Aber die Projektile prallten an einer harten, undurchdringbaren Oberfläche ab. Durch manche der Löcher, die die Kugeln in das weiße Gewand gerissen hatten, schimmerte es bronzefarben...
Samrins Gesicht wurde weiß wie die Wand.
Ihr Götter...
Die Knie zitterten ihm. Er riss noch einmal die Waffe hoch, schoss in wilder Verzweiflung erneut auf den unheimlichen Eindringling. Wirkungslos prallten die Geschosse ab. Der Maskenträger näherte sich.
Das tierhafte Maul verzog sich zu einem höhnischen Grinsen.
Samrin hatte das Magazin der Kalaschnikow indessen leergeschossen. Er warf die Waffe von sich. Panik leuchtete in seinen Augen. Mit einem irren Schrei auf den Lippen taumelte Samrin in Richtung der Hintertür.
Der Maskenträger kümmerte sich nicht weiter um ihn. Seinetwegen war er nicht hier hergekommen. Er wandte halb den Kopf, sah zu den anderen Maskenträgern zurück. Sie folgten ihm.
Mit einer Schnelligkeit, die man keinem von ihnen zugetraut hatte, liefen sie Treppe hinauf, die in das Obergeschoss führte. Beinahe katzenhaft wirkten die Geister der Sonne jetzt.
Das Fauchen wurde zu einem dumpfen, drohenden Grollen. Die Maskenträger nahmen Stufe um Stufe...
Die verzerrten Tiergesichter bildeten sich zurück. Für Sekunden verwandelten sie sich in menschliche Gesichter. Dann waren nur noch völlig konturlose Masken zu sehen. Die fauchenden Laute verebbten und machten dem wohlbekannten Singsang Platz.
"Macanuet ketasarem Cayamu!", kam es dumpf unter dem bronzefarbenen Metall hervor, gesungen von tiefen, kehligen Stimmen.
Sie waren Cayamus Diener.
Und seinen Willen würden sie bedingungslos erfüllen. Nichts und niemand konnte die Geister der Sonne aufhalten...
*
Wir liefen den Flur entlang. Um Gepäck mitzunehmen war keine Zeit geblieben. Nur mein Satellitentelefon hatte ich noch ergreifen können. Jetzt steckte es in einem Futteral, das ich an dem schmalen Gürtel meiner Jeans trug. Ich spürte jenes unangenehme Pochen hinter den Schläfen, das mir die Anwesenheit übersinnlicher Energien verriet. Inzwischen konnte ich mich einigermaßen gegen solche Einflüsse abschirmen. Ich durfte auf keinen Fall das Bewusstsein verlieren. Nicht jetzt, in diesem Augenblick tödlicher Gefahr.
Wir stockten.
Am Ende des Flures tauchten einige der Maskenträger auf. Mit entschlossenen Schritten kamen sie näher. Wie in einer Prozession gingen sie daher. Sie hielten die Handflächen gegeneinander gepresst und ihr gespenstischer Singsang ließ an eines der Rituale denken, die ich sie in ihren Tempeln hatte durchführen sehen.
Durch keinerlei Reaktion ließen sie erkennen, dass sie von unserer Anwesenheit überhaupt Notiz genommen hatten. Wie seelenlose Marionetten wirkten sie, während sie ihren Weg fortsetzten.
PATRICIA VANHELSING...
Es war eine Stimme des Geistes, die ich vernahm. Ihre Berührung war unangenehm. Ein eisiger Schauder erfasste mich und erfüllte nur Sekundenbruchteile später den tiefsten Winkel meiner Seele.
Tom konnte diesen Gedankenimpuls nicht wahrnehmen. Er war immun dagegen, da er nicht über jenen geheimnisvollen Sinn verfügte, den Tante Lizzy
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