Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)
als blankes Entsetzen.
"Sie zürnen uns, die Götter der Tiefe!", rief jemand.
"Wir sind verdammt!"
"Oh, was haben wir nur getan!"
"Schweigt!", rief Paco. Seine Stimme klang heiser, unsicher und schwach. Er fasste sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Schläfen. Paco sank auf die Knie. Er schloss die Augen, aber das grüne Leuchten drang durch die Augenlider hindurch.
Der Rhythmus, in dem es pulsierte, beschleunigte immer mehr.
"Werft sie ins Wasser!", rief er dann heiser.
*
Einer nach dem anderen erhoben sich die Maquatli vom schlammigen Grund dieses unheimlichen Ortes, an den ich gelangt war. Sie schwebten auf den blauschimmernden Korridor zu, dessen Eingang die Verbindung nach oben war.
Mein Blick fiel kurz auf die Leuchtanzeige meiner Taucheruhr.
Dein Sauerstoff... Eigentlich müsste er längst verbraucht sein, ging es mir durch den Kopf. Es war nicht das erste Mal, dass ich auf die Uhr blickte. Aber jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wo immer ich mich hier auch befand die Zeit schien hier nicht in derselben Geschwindigkeit zu verlaufen, wie ich es gewohnt war. Die Sekundenanzeige veränderte sich kaum...
Mir fröstelte bei dem Gedanken, dass das Reich jenseits der Kälte, in dem ich mich zweifellos befand, sich keineswegs am Grund des Titicaca-Sees oder darunter befand, sondern durch Zeit und Raum von unserer Welt getrennt war.
Der Meeresgrund einer fremden Welt, oder der Schlund der Hölle selbst...
Hunderte von grünlich leuchtenden Augenpaaren waren auf mich gerichtet.
Was wollen diese Kreaturen von mir?
Es musste einen Grund dafür geben, dass sie mich hier her geholt hatten...
Ich sollte ihn bald erfahren...
Hinter meinen Schläfen pulsierte es. Mein Gleichgewichtssinn spielte verrückt. Ich taumelte, fiel und sank in die mit Saugnäpfen besetzten Arme eines gigantischen Maquatli. Alles drehte sich vor meinen Augen. Jene mentale Kraft, die ich zuvor schon einige Male gespürt hatte, griff nach meinem Bewusstsein. Ein Strom von Bildern und Gedanken überschüttete meinen Geist. Ein unverständliches Chaos, das ich zunächst nicht zu deuten wusste. Fetzen von Informationen, gepaart mit fremden Empfindungen, die ich nicht nachvollziehen konnte. Vor meinen Augen drehte sich alles.
Der Gedankenstrom, der mich erfasste, war übermächtig. Ein wirbelnder Bilderstrom, aus dem ich verzweifelt versuchte, etwas herauszufiltern.
Und dann sah ich plötzlich die Gestalt einer Taucherin.
Sie entglitt den Armen eines Maquatli, sank tiefer in den schlammigen Grund dieses unheimlichen Gewässers.
Ich brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass ich selbst es war, die ich da vor mir sah, als handelte es sich um eine Fremde.
Mein Bewusstsein war außerhalb meines Körpers, der reglos auf den Grund gesunken war.
Wie eine Tote!
*
Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Ich spürte nur, wie plötzlich der Strom der Bilder und Gedanken sich verlangsamte. Gleichzeitig schien irgend etwas meine mentale Kraft abzusaugen. Ich fühlte Schwäche. Meine Lebensenergie verströmte. Ich hatte das Gefühl, mich langsam aufzulösen...
Nein!, schrie es in mir. Ich versuchte, mich abzuschirmen, aber ich konnte spüren, dass dieser Vorgang unaufhaltsam voranschritt...
Die Bilder vor meinem inneren Auge wurden deutlicher...
Ich sah hunderte, vielleicht tausende von grauenerregenden Maquatli den blauen Korridor hinaufsteigen, dann aus den quaderförmigen Bauwerken der prähistorischen Unterwasserstadt herausschwimmen.
WIR WOLLEN FORT VON HIER...
FORT AUS DEM REICH JENSEITS DER KÄLTE!
Der Gedankenchor war vielstimmig, aber jetzt sehr viel klarer.
Vielleicht war es mir auch nur einfach gelungen, mich besser darauf einzustellen, als bei der ersten Begegnung mit diesen unheimlichen Wesen.
FORT!
HINAUF! IN DIE BESSERE WELT...
NICHT NUR FÜR AUGENBLICKE, FÜR IMMER!
Mir schauderte, als ich begriff, was diese Kreaturen wollten. Der Gedankenstrom intensivierte sich wieder, aber ich hatte diesmal keine Mühe, zu begreifen. Gleichzeitig spürte, wie meine mentale Kraft immer mehr abnahm und das ließ mich schaudern. Ich wusste, dass ich dem endgültigen Ende sehr nahe war. Nicht nur dem Ende des Körpers, der bereits reglos im Schlamm dieses unwirklichen Gewässers lag. Sondern auch dem Ende der Seele...
NICHT NUR FÜR DEN AUGENBLICK! FÜR IMMER IN DER BESSEREN WELT!
Die Götter der Tiefe waren offenbar nur für kurze Zeit in der Lage, in unserer Welt zu existieren...
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