Übersinnlich (5 Romane mit Patricia Vanhelsing) (German Edition)

stieß Tom von sich. Er taumelte zurück, verlor das Gleichgewicht, während sich aus seiner Waffe ein Schuss löste.
    Die Kugel ging ins Nichts, verschwand im dunstig grauen Himmel, der tief über dieser Szenerie des Schreckens hing.
    Tom blickte seitwärts.
    Dietrich von Schlichten hatte sich seinem Bewacher entgegengeworfen und dazu den Schwung jener Bewegung ausgenutzt, die der an Bord gekommene Maquatli ausgelöst hatte. Gemeinsam rollten sie über Deck, die Waffe des Indios rutschte über den Boden.
    Unter Paco und seinen Leuten war blanke Panik ausgebrochen.
    Manche von ihnen fielen auf die Knie, um von jenen Wesen, die sie als Götter der Tiefe verehrt hatten, Verschonung zu erbitten.
    O'Mara kämpfte indessen mit einem der Indios um ein Schrotgewehr.
    Auch am Bug kam ein Maquatli an Bord. Größer noch, als jener am Heck. Mit einem gurgelnden Geräusch rutschte er über Deck. Grelle Strahlen schossen aus seinen Augen heraus, brannten sich in die Aufbauten der LAGO GRANDE. Wände aus Polyester zerbröselten zu feinem grauen Staub...
     
    *
     
    Du kannst nichts mehr tun, dachte ich. Nichts... Alles ist zu Ende... Tom!...Nein...  
    Meine eigenen Gedanken waren nur noch ein ausgefranster Flickenteppich. Ich spürte die zunehmende Auflösung und Lethargie erfasste mich.
    Ich sank hinab zum Grund.
    Nur undeutlich nahm ich noch den blauen Korridor wahr.
    Ganz am Rande registrierte ich, dass ich jetzt so gut wie allein im Reich jenseits der Kälte war.
    Die Götter der Tiefe waren nicht mehr hier.
    Sie waren emporgestiegen, hatten den blauen Korridor passiert und schickten sich nun an, unsere Welt in Besitz zu nehmen.
    Und ich...
    Ich sah den regungslosen Körper jener Taucherin, von der mir irgendeine verhaltene Stimme einflüsterte, dass es sich um meinen Körper handelte.
    Einen toten Körper.
    Daran gab es für mich nicht den geringsten Zweifel.
    Ich sank auf diesen Körper nieder, hatte das vage Gefühl, mit ihm zu verschmelzen. Meine Gedanken löste sich auf. Nur Bruchstücke blieben.
    Ich hob einen Arm, stellte überrascht fest, dass ich meinen Körper wieder bewegen konnte. Aber der Arm war durchsichtig.
    Das blaue Schimmern des Korridors drang hindurch.
    Ich schien mich aufzulösen.
     
    *
     
    O'Mara hatte sich ein Gewehr erobert und schoss damit in Richtung eines Krakenmonster. Die Antwort bestand aus einem grellen Strahl, der ihn erfasste. Binnen eines Augenblicks war von ihm nichts geblieben, als feiner, grauer Staub. Das Gewehr fiel zu Boden.
    Die LAGO GRANDE bekam jetzt deutliche Schlagseite, als ein mindestens dreißig Meter langer Maquatli einen Tentakelarm an Deck aufstückte. Polyester brach. Das furchtbare Krachen übertönte sogar die Gurgelgeräusche der Maquatli.
    Dietrich von Schlichten klammerte sich im Ruder fest, während einige der Indios ins Wasser geschleudert und von den Krakenwesen in die Tiefe gerissen wurden.
    Tom rutschte über den glatten Boden.
    Er versuchte verzweifelt, sich irgendwo festzuhalten.
    Vergeblich.
    Er rutschte dem gewaltigen Krakenmonster direkt entgegen, das sich gerade anschickte, die LAGO GRANDE wie eine Nussschale zu kippen. Die grünlich leuchtenden Augen stierten ihn unbeteiligt an. Einer der zahllosen Tentakelarme hatte ihn gepackt. Verzweifelt versuchte er, sich aus der erbarmungslosen Umklammerung zu lösen. Aber der ungeheuren Kraft dieses Monstrums hatte er nicht das Geringste entgegenzusetzen.
    Dann wurde er ins Wasser geschleudert.
    Hinein in das grauenerregende Gewimmel aus gierigen Tentakeln. Das Wasser schlug über ihm zusammen. Dutzende von glitschigen Fangarmen griffen nach ihm, zogen ihn hinab.
    Eine eisige Kälte erfasste ihn von innen heraus.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis er begriff, was geschah...
    Es schien ihm so, als entzog ihm eine geheimnisvolle Kraft die Lebensenergie.
    Sein Widerstandswille erlahmte. So sehr er auch gegen die wachsende Agonie anzukämpfen versuchte.
    Die Tentakel griffen nach ihm, versuchten ihn weiter in die Tiefe zu zerren... Aber sie griffen jetzt durch ihn hindurch, wurden transparent. Tom spürte, dass er wieder aufstieg.
    Sie lösen sich auf, dachte er.
    Nacheinander wurden die Maquatli transparent, verblassten und verschwanden dann. Sie entmaterialisierten, so wie Tom es bereits einmal erlebt hatte.
    Er kam an die Oberfläche.
    Seine Arme fühlen sich kraftlos an. Er musste all seinen Willen zusammennehmen, um die Schwimmbewegungen auszuführen.
    In einiger Entfernung sah er die LAGO GRANDE. Das