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Übersinnlich

Übersinnlich

Titel: Übersinnlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Carpenter , Britta Strauss , Kerstin Dirks , Helene Henke , Tanya Carpenter
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wenn er bewusstlos in einer Felsspalte lag, zu schwer verletzt, um sich zu heilen? Was dann? Eine Serie klickender Geräusche ließ ihre Nerven vibrieren und produzierte augenblicklich das Bild von Krallen auf Fels. Sie bildete sich ein, heißen Atem zu spüren.
    „Wir wollten nur zum Altar“, wiederholte sie. „Wir sind einfache Pilger. Ganz harmlos. Keiner Aufmerksamkeit wert.“
    Erneut drückte sie gegen die zuckende Masse, die Mariposas Bewusstsein war. Es war, als lehnte sie sich nackt an eine Wand voller Giftschlangen. Sie fand den Riss und glitt hinein. Lass uns ziehen. Wir sind unwichtig.
    „Wer bist du?“, fragte sie, um mehr Zeit zu gewinnen.
    Sie wusste nichts über die Kreatur, und es war gefährlich, die Gabe blind anzuwenden. Sie konnte nur vermuten, dass Mariposa hungrig war und eine Bedrohung witterte. Instinkte, wie jedes Tier sie entwickeln würde. Darauf stützte sich Eve. Ein tiefes Knurren sträubte ihr die Härchen im Nacken. Und wieder die Frauenstimme, glockenhell. „Ich erfülle dir deine Wünsche. Was gibst du mir dafür?“
    Sie spürte, wie der Riss sich weitete. Die Ränder gaben nach und saugten sie nach innen. Sie schob nicht mehr, sie wurde gezogen. Das war ihr nie zuvor passiert. Und der Sog wurde stärker. Das lief falsch. Sie drang nicht länger in den fremden Geist, der Geist war plötzlich in ihr.
    Gelächter explodierte, Mädchenkichern. Oh Gott. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Sie hatte das Gefühl, sich gleichzeitig in und neben sich zu befinden. Das Bedürfnis zu schreien wurde übermächtig, doch selbst das gelang ihr nicht. Als hätte sie jede Kontrolle über ihren Körper verloren.
    Ihr wurde übel, sie glaubte zu stürzen, schwerelos, ein harter Aufschlag.
    Und dann fühlte sie gar nichts mehr.
    Als sie aufwachte, schimmerte ihre Umgebung in rötlichem Licht. Sie lag am Grund einer Schlucht. Geröll bedeckte den Boden. Die Wände auf beiden Seiten standen so nah, dass sie sie mit ausgestreckten Armen berühren konnte.
    In ihren Eingeweiden tobte Schmerz. Was war geschehen?
    Die rötliche Aura irritierte sie. Als würde sie ihre Umgebung durch einen Restlichtverstärker wahrnehmen. Unwillkürlich wischte sie sich über die Augen. Starrte auf ihre Hand, die falsch war. Ganz falsch. Lange, sichelförmige Krallen schoben sich aus ihren Fingerknöcheln.
    Es gab keine Worte für ihr Entsetzen. Sie starrte ihre Hand an und schrie. Sie konnte nicht mehr aufhören zu schreien. Sie schrie mit einer Stimme, die nicht ihr gehörte, bis ihre Kehle heiser war und ihr Gebrüll sich in haltloses Schluchzen verwandelte.
    Sie hatte geweint, dann wieder geschrien, weil ihr Verstand sich weigerte, zu begreifen, was mit ihr geschehen war. Sie hatte reglos am Boden gelegen, Stunden oder gar Tage. Später durchwanderte sie die labyrinthischen Gänge, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrach, und raffte sich wieder auf.
    Sie trank aus einem Tümpel mit eiskaltem Wasser, doch es linderte nicht den Schmerz in ihren Eingeweiden. Ihr Spiegelbild auf der glänzenden Oberfläche ließ sie zurücktaumeln.
    Asâêls Gabe hatte sich als Fluch erwiesen. Die Waffe war ins Gesicht ihres Besitzers explodiert, anstatt das Ziel zu treffen. Doch wie hätte sie damit rechnen können, dass die Kreatur ihren Geist packen und aus ihrem Körper reißen konnte wie eine trockene Blumenstaude? Sie hatte nicht geahnt, dass so etwas möglich war. Aber sie hatte Mariposa nicht nur unterschätzt, sondern auch ihre Motive falsch gedeutet. Nicht Blutdurst und Überlebensinstinkt waren die stärksten Triebkräfte der Kreatur. Denn die Kreatur war einmal ein Mensch gewesen, kein Tier.
    Sehnsucht nach ihrer alten Schönheit hallte nach in Mariposas Hülle, in der nun Eve gefangen war. Die Sehnsucht, ein elegantes Kleid zu tragen, von einem Mann begehrt zu werden, den Neid einer Rivalin zu spüren. Da loderte Hass auf die, die ihr die Schönheit genommen und ihr Leben zerstört hatten. Hass auf den Engel, der sie von einem Hochhaus gestürzt und mit Feuer verbrannt hatte. Ihr Körper heilte so schnell wie der eines Schattenläufers, doch was nützte das, wenn gebrochene Knochen sich schief zusammenfügten. Ihre Haut war zu schwarzer Borke verbrannt, und sie musste sich in eine Mönchskutte hüllen, um die Dunkelheit der Kanäle verlassen zu können. Die Menschen, die sie gesehen hatten, hielten sie für ein mystisches Wesen und brachten ihr Opfergaben. Mariposa hatte das gefallen, denn es schaffte ihr Bequemlichkeit und

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