überSINNLICHE Nächte - überSINNLICHE Nächte - Wild Nights
griff über den Tisch und umfasste Tias ausgestreckte Hand. »Du hast alles Recht dieser Welt, darüber verärgert zu sein. Ich erinnere mich kaum an deine Mutter ... Glaub mir, ich war genauso sauer, als es das erste Mal passierte. Ich habe mir gewünscht, es könnte doch wenigstens meine eigene Mutter sein, die da plötzlich in meinem Kopf auftauchte, und nicht deine!«
»Das ist eine der Fragen, die wir im Vorfeld klären müssen. Alle Vermutungen und jede Böswilligkeit muss vorher aus dem Weg geräumt werden.« Anton lächelte seine Frau an. »Morgen Nacht, wenn wir Camille rufen, haben wir uns soweit wie möglich gereinigt. Ich möchte euch bitten, wenigstens eine Stunde lang jeder für sich zu meditieren. Am besten ist es, wenn ihr dafür allein seid, bevor wir uns morgen Abend bei Sonnenuntergang treffen. Klärt eure Gedanken, befreit euch von jeder Ablenkung, aller Wut, jeder Spur von Eifersucht ... Und auch wenn ich weiß, dass ich damit viel von euch verlange, aber ab sofort bis zum Ende der ganzen Angelegenheit dürft ihr keinen Sex haben.«
Stefans dramatisches Stöhnen brachte sogar Ulrich zum Lachen.
Anton grinste. »Denkt an die Energie, die ihr in diese große Aufgabe investieren werdet. Denkt nur an das ganze Testosteron, das nach außen drängt. Wir brauchen dich, Stefan.«
Lachend warf Stefan eine Serviette nach Anton, der sie einfach mit einer Hand auffing, ehe er fortfuhr. »Wir alle müssen uns heute und morgen gut ausruhen. Wir essen gut zu Mittag und werden anschließend bis Sonnenuntergang fasten. Ich möchte, dass wir uns dann auf der Wiese hinter dem Haus treffen. Sobald wir den Kreis gebildet und Kontakt aufgenommen haben, müssen wir die Verbindung aufrechterhalten, bis Ulrich vor Sonnenaufgang zu uns zurückkehrt. Wenn wir die Verbindung unterbrechen, könnten wir Ulrich verlieren.«
Er sagte das so sachlich, dass Tias Kopf in einem weiten Bogen herumfuhr und sie erst Anton und dann Ulrich anblickte. Ihr Vater sah sie direkt an. Er zuckte mit den Schultern und lächelte. Keine Sorge. Es kommt alles in Ordnung. Es wird mir gut gehen.
Bist du sicher?
Ulrich nickte. Er schützte die Verbindung zwischen ihnen beiden vor den anderen.
Seine Tochter blinzelte hastig. Ihre Augen glänzten tränenfeucht. Sie hob die Hand und wischte die Tränen beiseite. Diese schnelle und wütende Bewegung erinnerte ihn so sehr an Camille, dass Ulrichs Herz schmerzte. Er sah aber auch, wie Tia die Schultern straffte. Sie starrte zu ihm herüber.
Also, wenn's nach mir geht, bist du besser verflucht vorsichtig da drüben. Wenn dir nämlich was passiert, folge ich dir. Und dann wird's dir noch leid tun.
Ulrich brach in lautes Lachen aus. Alle wandten sich überrascht zu ihm um. Tia hatte gerade wörtlich die Drohung wiederholt, die er immer ihr gegenüber eingesetzt hatte, als sie noch ein Kind war. Er hob die Hände in gespielter Unschuld.
»Meine Tochter hat mich nur gerade wieder daran erinnert, wer das Alphatier in unserem Rudel ist. Sie ist ihrer Mutter ähnlicher als sie denkt. Ihr könnt alle beruhigt sein. Sollte Anton mit seinem Vorhaben Erfolg haben und mich auf die andere Seite bringen können, werde ich rechtzeitig wieder zurück sein.«
4
Nachdem er sich frisch geduscht und rasiert hatte, zog Ulrich die weiße Robe an, die Oliver in seinem Zimmer bereitgelegt hatte. Er musterte ein letztes Mal prüfend den Mann in dem hohen Spiegel, der in die Tür des Wandschranks eingelassen war. Dieser Mann wollte also in wenigen Stunden das Unmögliche versuchen.
Auf einem Tischchen flackerte eine Kerze. Die kleine Flamme war im hellen Nachmittagslicht kaum sichtbar. Er hatte die Fensterflügel weit aufgestoßen, um die Luft dieses perfekten Herbsttags hereinzulassen. Sonnenlicht beschien den gebeizten Holzfußboden.
War er bereit? Wie Anton angeregt hatte, plante Ulrich, in der kommenden Stunde zu meditieren. Er wollte sein Zentrum finden und sein rasendes Herz beruhigen, bevor er sich mit den anderen traf. Aber jetzt, da er sein Spiegelbild betrachtete, erbebte Ulrichs Körper, weil in ihm die Erinnerungen aufstiegen und sich mit dem Adrenalin vermischten, das durch seine Adern rauschte.
Was wohl Camille denken würde, wenn er vor ihr auftauchte?
Er drehte sich zur Seite und musterte prüfend sein Spiegelbild. Abgesehen von den weißen Haaren sah er nicht so alt aus, wie er war. Und er fühlte sich auch nicht so alt. Er hatte kein Übergewicht, und die Haut spannte sich faltenlos über seinem
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