Überwachtes Netz
auf die Förderung und den Ausbau von Geheimdienstaktivitäten gerichtete Politik hilft einzig und allein Öffentlichkeit und Transparenz. Man kann insoweit auf die von Kant formulierte transzendentale Formel des öffentlichen Rechts zurückgreifen, die lautet:
»Alle auf das Recht anderer Menschen bezogene Handlungen, deren Maxime sich nicht mit der Publizität verträgt, sind unrecht.«
Laut Kant wird sich der ewige Frieden zwischen den Völkern nur dann einstellen, wenn im öffentlichen Bereich eine größtmögliche, ja sogar radikale Publizität herrscht.
Edward Snowden und Chelsea Manning stehen in dieser Tradition der Aufklärung, während mächtige Strömungen in der internationalen Politik ihr entgegen arbeiten. Snowden hat den Bruch von Bürger- und Menschenrechten offenkundig gemacht, zu denen sich formal alle Staaten der westlichen Welt bekennen. Aus Sicht des Rechts, zumindest wenn man es global betrachtet und nicht national, ist Snowden deshalb kein Verräter, sondern ein Aufklärer. Der Rechtsbruch, der ihm vorgeworfen wird, besteht darin, auf einen global wirkenden Rechtsbruch hingewiesen zu haben. Weil er sich damit aber die US-Administration zum Feind gemacht hat, wird er gejagt und kein europäischer bzw. westlicher Staat war bereit, ihm Asyl zu gewähren, obwohl seine politische Verfolgung offensichtlich ist.
Die weltweite Geheimdienstaffäre wirft in letzter Konsequenz die Frage nach dem Zustand unserer westlichen Demokratien auf. Nicht mehr und nicht weniger. Die Qualität eines freiheitlich-demokratischen Staates zeigt sich nämlich gerade auch am Umgang mit Aufklärern wie Snowden oder Manning, die zu Unrecht als Verräter denunziert, verfolgt und ihrer Freiheit beraubt werden. Es besteht derzeit wenig Grund zu der Annahme, dass die Politik bereit und in der Lage dazu ist, die Geheimdienste unter rechtsstaatliches Kuratel zu stellen. Es wird also alles von den Bürgern abhängen, die selbst für ihre Rechte eintreten und kämpfen müssen.
Der Koloss, der unsere Grundrechte zertrampelt,
heißt NSA und es ist Zeit ihn zu bändigen
Yochai Benkler
Es ist Zeit, das NSA-Ungetüm zu zähmen, das auf unseren Grundrechten herumtrampelt. Aufgrund von Leaks und FISA-Gerichtspapieren ist es offensichtlich, dass die NSA eine aufgedunsene Bespitzelungsmaschinerie ist, die außer Kontrolle geriet. Sie kann nicht von Innen reformiert werden.
Seit der Welle an neuen NSA-Veröffentlichungen steht in der Debatte erheblich mehr auf dem Spiel. Wir wissen nun, dass die Geheimdienstbehörden systematisch die Aufsicht über sich untergraben haben, indem sie sowohl den Kongress als auch die Gerichte angelogen haben. Wir wissen, dass die NSA-Prozesse zur Standarddefinierung von Sicherheitsprotokollen des Internets, die Überwachung erschweren, infiltrierten. Wir wissen, dass die NSA durch Überredung, Betrug und rechtlichen Druck Software- und Hardware-Produktentwicklung privater Unternehmen verfälscht hat.
Wir haben gelernt, dass die NSA im Streben nach ihrer bürokratischen Mission, Datenaufklärung in einer zunehmend vernetzten Welt zu leisten, eine systematische Kampagne gegen die Grundwerte US-amerikanischer Macht startete: verfassungsmäßige Gewaltenteilung, technologische Führerschaft und Unternehmertum. Der NSA-Skandal dreht sich nicht mehr nur um Privatsphäre oder einen bestimmten Verstoß gegen verfassungsmäßige oder gesetzliche Auflagen. Die US-amerikanische Politik leidet an einer ernsthaften Autoimmunerkrankung: Unser Abwehrsystem attackiert andere kritische Systeme unseres Körpers.
Als erstes, das Lügen. Die US-amerikanische Geheimdienstuniversität in Washington D.C. bietet einen zertifizierten Studiengang mit dem Namen ‘Verläumdung und Hintergehung’ als Vertiefung an. Das ist keine absurde Science-Fiction-Dystopie, sondern ein reales Programm, um Verleumdung und Irreführung durch andere Länder entgegen zu wirken. Die wiederholten Falschdarstellungen lassen vermuten, dass die Geheimdiensteinrichtungen zivile Staatsoberhäupter als Kontrahenten wahrnehmen, mit denen durch Verleumdung und Irreführung umgegangen werden müssen. Vor Monaten haben wir erfahren, dass der Direktor der nationalen Geheimdienste, James Clapper, unter Eid vor dem Kongress gelogen hatte. Wie wir wissen hat jetzt General Keith Alexander eine schriftliche Erklärung abgegeben (vergleichbar mit einer schriftlichen Aussage unter Eid), in der er eine Interpretation von Verstößen von, die laut Gericht ihre
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