Ufer des Verlangens (German Edition)
viel Stück Vieh, wie viele Ackerflächen hat dieser See mich schon gekostet! Die Geldladen sind leer. Nicht einmal das Gutshaus kann ich mehr instand setzen lassen. Jedes einzelne Pfund geht für die Behebung der Schäden drauf. Es ist höchste Zeit, Frieden zu schaffen.«
Der Verwalter lachte düster auf. »Wie wollt Ihr das anstellen, Mylord? Seit Jahrzehnten ist Eure Familie nun schon mit dem Clan der Kingsleys verfeindet.«
»Eben deshalb ist es höchste Zeit, den Krieg zu beenden«, erwiderte Lord McLain, seufzte und ging schweren Schrittes auf sein Haus zu.
Vor dem steinernen Portal blieb er stehen und betrachtete sorgenvoll die einstmals weißen Säulen, die den Treppenaufgang umrahmten und von langen Rissen verunziert waren; sie hätten längst gekalkt werden müssen. Ein leichter Wind kam auf und ließ die losen Dachziegel klappern.
Lord McLain drehte sich um und rief seinen Verwalter zu sich: »Connor, kommt zu mir in die Halle. Wir haben einiges zu besprechen.«
Der Verwalter warf einen letzten Blick auf den brennenden Wald. Als er sich davon überzeugt hatte, dass die Männer alles taten, um den Brand zu löschen, folgte er dem alten Lord ins Innere des Hauses.
Auch hier hinterließ der Verfall seine Spuren, die Vergänglichkeit der einstigen Pracht, des einstigen Wohlstands war nicht mehr zu übersehen. Die Teppiche, mit denen die Wände behängt waren, wiesen dünne Stellen auf; die Farben waren verblasst, das Gewebe fadenscheinig.
In der Mitte stand ein großer Tisch, dessen polierte Platte schon lange nicht mehr glänzte. Die Polster der Lehnstühle waren verblichen, die Bänke, die sich rund um den Kamin zogen, mit verfilzten Schaffellen belegt. Das Silbergeschirr war verkratzt, die Leuchter nicht mehr mit Wachslichtern, sondern nur noch mit billigem, schlecht riechendem Talg bestückt. Auf dem Boden lagen frische Binsen, doch fehlten darin die duftenden Blüten.
»Kommt, setzt Euch«, forderte Lord McLain und bat eine Magd um einen Krug mit frischem Ale und zwei Becher.
Die Männer tranken schweigend, dann fragte der Gutsherr: »Wie sehen die Bücher aus, Connor? Wie viel Geld haben wir noch, wie hoch ist der Bestand an Vieh und an Weidefläche?«
Der Verwalter kratzte sich mit einer Hand am Kinn, dann ließ er sich gegen die Lehne des Stuhles sinken und sah seinen Herrn besorgt an. »Unser Vehbestand hat sich in den letzten beiden Jahren halbiert. Zu viele Tiere wurden bei den Überfallen der Kingsleys geraubt oder getötet, und das von uns erbeutete Kingsley-Vieh stand schlecht im Futter. Von der langen Regenzeit im letzten Jahr hat sich das Ackerland bislang noch nicht erholt. Der Boden ist schwer und nass, sodass die Saat nur zögerlich aufgeht, wenn sie nicht gar verfault. Die Felder in Waldnähe sind verbrannt und werden in den nächsten Jahren keinen Ertrag bringen. Nur die Schafweiden oben in den Highlands stehen in sattem Grün. Allerdings ist zu befürchten, dass der nächste Anschlag der Kingsleys genau darauf zielt. Mylord«, der Verwalter runzelte die Stirn, »alles in allem stehen die Dinge schlecht. Wir haben kein Geld für neues Vieh, die Männer laufen uns aus Angst vor den Überfällen davon, und mit einem ertragreichen Jahr ist auch nicht zu rechnen. Die Bauern, die Euch zu Lehnsdiensten verpflichtet sind, haben kaum genug zum Leben. Und Eure Fischer fahren nicht auf den See hinaus, weil sie sich vor den Übergriffen der Kingsleys fürchten. Allerdings sieht es bei Euren Feinden kaum besser aus. Auch ihnen hat die Fehde mächtigen Schaden gebracht, auch sie haben herbe Verluste an Land, Vieh und Leuten hinnehmen müssen. Doch der alte Kingsley hat zwei Söhne, die sich gut verheiraten können und mit der Mitgift ihrer Frauen die Güter sanieren werden. Ihr aber habt nurTöchter, die viel Geld kosten werden, wollt Ihr sie gut verheiraten.«
Er seufzte und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. »Ich wünschte, Eure Lordschaften würden sich endlich über die Fang- und Fischrechte des Sees einigen.«
Der alte Lord nickte. »Über dreißig Jahre ist es nun her, dass der verstorbene Lord Kingsley beim Würfelspiel meinem Vater die Fang- und Fischrechte für den See abgewonnen hat. Und genau so lange steht fest, dass die Würfel gefälscht waren, die Kingsleys betrogen haben und uns demzufolge die Rechte nach wie vor zustehen.«
Der Verwalter schmunzelte. »Nun, die Kingsleys erzählen die Geschichte genau andersherum. Die Mc-Lains sollen die Würfel gefälscht
Weitere Kostenlose Bücher