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Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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überschritten. Sagen Sie mir doch, was die machen.«
    »Sie singen ihre Lieder und werden wie die Fliegen erschlagen«, antwortete Delaunay matt.
    »Vielleicht sehen Sie jetzt ein wenig klarer.«
    Es ist schwer, gegen Bronstein etwas vorzubringen, dachte sich Delaunay hoffnungslos. Die Sallat nahmen es nicht mit den Krozni auf, trotz der Anstrengungen Demets und anderer. Sie hatten sich geweigert, sich der Kriegslage anzupassen. Das hatte er letzte Nacht bei dem Massaker gesehen.
    »Es gibt viele oberflächliche Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen von Terra und von Sallat«, fuhr Bronstein fort. »Beide sind in einem Sumpf von Traditionen, Ritualen und Routinesachen steckengeblieben. Sie haben das vielleicht nicht bemerkt, die Sachen, die Sie auf Sallat gernhaben, sind genau die Dinge, die Sie auf der Erde verachteten, mit geringen Abweichungen. Es gibt jedoch einen wirklichen Unterschied. Die Sallat sind ein unglaublich altes Volk. Sie haben eine wunderbare Kultur, aber diese ist um sie herum zu Stein geworden. Das erste wirkliche Problem, dem sie sich gegenübersehen, wird sie erledigen. Ich bin dabei, das zu beweisen.«
    »Aber die Erde –«
    »Aber mit der Erde ist das überhaupt nicht so«, unterbrach ihn Bronstein. »Die Kultur auf Terra ist das ganze Gegenteil. Beide Kulturen stehen still, aber bei den Sallat ist es der Stillstand der Senilität. Terra ist noch immer unreif. Es ist eine junge Kultur, die den Reizen, die seine Entwicklung bestimmten, entwachsen ist. Terra braucht die Herausforderung der Krozni, um aus ihrem Trott herausgesprengt zu werden und sich zu ihrem vollen Wachstum zu entfalten. Und die Sallat, die ihre beste Zeit hinter sich haben, können sich zum letzten Mal als nützlich erweisen, indem sie den Krozni als Sprungbrett dienen.«
    Delaunay ließ es sich durch den Kopf gehen. Er dachte an Brascon und seine vielsaitige Laute, an die seltsamen Harmonien der Musik der Sallat und an den toten Tsalto, der irgendwo auf einem Berg lag.
    »Das ist eine kaltblütige, grausige Sache, und sie stinkt zum Himmel«, sagte Delaunay.
    »Stimmt«, pflichtete Bronstein bei. »Aber sie ist notwendig.«
    Notwendig? Delaunay sah sich Bronsteins gelassenes Gesicht an. Er fragte sich, was die Sallat sagen würden, Marya zum Beispiel.
    Wenn Marya vor Bronstein stünde und er ihr mitteilen würde, ihr Volk wäre ein Hindernis für den Fortschritt der Erde, was würde sie sagen? Es würgte Delaunay in der Kehle, als er begriff, was sie oder Demet oder Tsalto oder irgend jemand von ihnen sagen würde: »Dann müssen wir natürlich vernichtet werden.«
    Er stellte sich einen Sallat nach dem anderen vor, und die Antwort war immer dieselbe. Die Sallat waren ein ruhiges Volk, das die Dinge nahm, wie sie kamen. Sie würden die kosmische Notwendigkeit einsehen und sich ihr beugen.
    Er gab Bronstein seine Pistole. »Sie haben recht«, sagte er leise. Das Zugeständnis schmeckte bitter. »Sie haben gewonnen.«
    Bronstein lächelte. »In Ordnung, Jack!« rief er jemandem draußen vor der Hütte zu. Ein weiterer Erdmensch trat ein, groß, braungebrannt, eine mächtige Waffe in der Hand.
    »Sie hatten mich die ganze Zeit in der Gewalt«, sagte Delaunay kläglich.
    »Wir können uns auf nichts einlassen«, erwiderte Bronstein. »Wir müssen dauernd einen Trumpf in der Hand haben.«
    Delaunay blickte den großen Mann namens Jack an, dann wieder Bronstein. Die beiden zerstörten systematisch eine Kultur, die sich in Jahrzehntausenden entwickelt hatte.
    »Was soll ich jetzt tun?« fragte er.
    »Nichts. Gehen Sie einfach zu den Sallat zurück, und bleiben Sie bei ihnen. Sagen Sie ihnen nichts, und versuchen Sie nicht, ihnen zu helfen, damit sie den Krieg gewinnen. Das erschwert uns nur die Arbeit, und wie Sie gesehen haben, würde es keinen Erfolg haben. Es darf keinen Erfolg haben.«
    »Na schön«, entgegnete Delaunay ärgerlich. »Ich werde zurückgehen und meine Musik studieren und Skulpturen sammeln und an Tänzen teilnehmen. Und eines Tages werden Sie mit Ihren Krozni kommen und alles kurz und klein schlagen.«
    »Es ist traurig, nicht wahr«, sagte Bronstein, und Delaunay meinte, echte Trauer im Gesicht des älteren Mannes zu entdecken. »Die Erde ist jedoch wichtiger.«
    »Ja«, hörte sich Delaunay antworten, »die Erde ist wichtiger.« Die innere Stimme sagte wieder: Zieh dich zurück, zieh dich zurück! Doch diesmal fand er, daß die Stimme nur aus Gewohnheit sprach. Er konnte nichts anderes tun, als sich

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