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Ufer von Morgen

Ufer von Morgen

Titel: Ufer von Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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schlagen«, sagte Demet. »Sie sind Kämpfer, wir nicht.«
    »Wie steht es mit der Grenzverteidigung?«
    »So schlecht wie nur möglich.« Demet lächelte melancholisch. »Sie marschieren durch unsere Linien, als gäbe es uns nicht. Unsere Leute wissen einfach nicht, was kämpfen heißt. Ich habe den gestrigen Bericht erhalten. Als unsere Leute bei Sonnenuntergang ihre Andacht abhielten, fielen die Krozni über sie her und töteten sie. Wenigstens haben sie sich an die Andacht erinnert.«
    Delaunay nickte. Ja. Die Krozni waren dazu übergegangen, die schwersten Angriffe am Ersten Tag zu machen, wenn die Sallat nicht kämpften. Die Krozni hatten keine Achtung vor den heiligen Tagen, den geschätzten Sitten und Ritualen der Sallat. Sie hatten Männer beim Gebet erschlagen. Sie hatten Männer erschlagen, die sich zum traditionellen Singen zusammengesetzt hatten, hatten sie wie Tiere niedergemetzelt. Die Schwierigkeit lag darin, daß die Soldaten der Sallat zugleich Sallat und Soldaten sein wollten, und die Mischung war tödlich. Wie konnte man das Demet sagen?
    Kann ich ihm sagen, fragte sich Delaunay, daß die Soldaten ihre Traditionen, ihre Feiern und Sitten fallenlassen mußten, wenn sie die Krozni schlagen wollten? Daß ihr schönes, harmonisches Singen dem Feind genau anzeigte, wie viele sie waren und wo sie sich befanden? Daß sie den Krieg wie Kinder führten?
    Delaunay spürte, wie das bekannte, ärgerliche Gefühl von ihm Besitz ergriff, der tiefe Wunsch, irgendwo sonst, nur nicht hier zu sein. Die alten Freunde auf der Erde hatten ihm gesagt, daß er unfähig sei, sich einer guten Sache hinzugeben. Und das stimmte. Dieses Gefühl, unbeteiligt zu sein, hatte ihn bis nach Sallat verfolgt. Wenn es darauf ankam, die Karten auf den Tisch zu legen, hinauszugehen und die Sallat wirklich zu verteidigen, zog er sich zurück.
    Dieses Verhalten hatte ihn schließlich bewogen, mit der Erde zu brechen. Er sah deutlich, daß er aufhören mußte, sich so zu verhalten.
    Er blickte Demet fest an. »Laß mich hinausgehen und kämpfen«, sagte er. »Ich weiß vielleicht ein paar Tricks, die euch helfen können.«
    Demet unterstellte ihm eine Gruppe unbeschwerter junger Sallat, die mit Flöten so gut wie mit Gewehren umgehen konnten, und schickte sie hinaus, um die zerrissene Front der Sallat zu stärken. Delaunay sah sie sich unruhig an, während man über die fruchtbare Ebene zum Schlachtfeld zog. Er sah nur zu gut, warum die Krozni die Front der Sallat überrannten, als gäbe es sie nicht.
    Jeden Abend, wenn die Sonne sank, versammelten sich die Sallat gläubig zur Andacht. Jeder Mann legte seine Waffe beiseite und betrachtete schweigend die sinkende Sonne. Wenn der große rote Ball untergegangen war, versammelten sie sich, um ihre vertrackten Freudenlieder zu singen. Freude im Angesicht der Vernichtung, dachte Delaunay.
    Auf dem Weg zur Schlacht konnte er nicht viel daran ändern. Die Sallat waren stolz auf ihre Lieder, stolz auf ihr Singen. Es war ihnen wichtiger zu singen als die Krozni zu töten. Delaunay sah zu, wie sie sorglos durch den Wald zogen, und fragte sich, wann die Krozni das Singen hören und sich auf sie stürzen würden. Er beschloß, den Sallat beizubringen, was Krieg eigentlich hieß.
    Sein Unterführer war ein großer, junger Sallat namens Blascon, ein Virtuose auf der Laute der Sallat, einem eindrucksvollen Instrument mit zwölf Melodiesaiten und zweiundzwanzig Resonanzsaiten. Eines Nachts sah ihm Delaunay beim Spiel zu. Sie hatten ihr Lager in einem dichten Wäldchen aufgeschlagen, das östlich vom Heimatdorf lag.
    Blascons Finger glitten mit einer Gewandtheit über die Saiten, die fast unglaublich war. Nach einiger Zeit trat Delaunay aus dem Schatten eines riesigen Baumes und unterbrach ihn.
    »Du spielst ziemlich laut, Blascon«, sagte er. Er zitterte ein wenig. Sein ganzes Unterfangen hing von diesem einen Augenblick ab.
    »Nicht lauter, als es angemessen ist«, versetzte der Sallat und ließ seine ebenmäßigen Zähne blitzen. »Die Beziehungen der Töne sind so eingerichtet, daß die Resonanzsaiten die Hauptmelodie stören würden, wenn ich etwas leiser spielte. Das wußtest du doch?«
    »Natürlich. Das habe ich aber nicht gemeint, als ich sagte, es ist zu laut.«
    »Was hast du denn dann gemeint?«
    »Ich meine, daß wir Krieg haben«, sagte Delaunay langsam und geduldig. »Wir sind im Kampfgebiet, und du machst Lärm. Musik ist Lärm. Verstehst du nicht, wenn die Krozni dein Instrument hören,

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