Uhtred 6 - Der Sterbende König
erinnern wollte, dass ich seinen schönen Hafen in Dumnoc verbrannt hatte.
Eohric spannte die Kiefer an, doch er schnappte nicht nach dem Köder. Stattdessen warf er einen Blick nach Süden auf die Stadt. »Ein schöner Ort, Herr Uhtred.«
»Darf ich fragen, was Euch hierher bringt, Herr König?«, fragte ich respektvoll. »Ich bin Christ«, sagte Eohric. Seine Stimme war ein tiefes Grollen, volltönend und beeindruckend, »und der Heilige Vater in Rom sagt mir, dass Plegmund mein geistlicher Vater ist. Der Erzbischof hat mich eingeladen, also bin ich gekommen.«
»Wir fühlen uns geehrt«, sagte ich, denn was sonst könnte man zu einem König sagen?
»Weohstan hat mir erzählt, dass Ihr die Stadt eingenommen habt«, sagte Eohric. Er klang gelangweilt, wie ein Mann, der weiß, dass er eine höfliche Unterhaltung fuhren muss, jedoch keinerlei Interesse an dem Gesagten hat.
»Das habe ich, Herr.«
»Über dieses Tor dort?« Er deutete westwärts auf Ludd's Gate.
»Ja, Herr König.«
»Diese Geschichte müsst Ihr mir erzählen«, sagte er, jedoch nur aus Höflichkeit. Wir waren beide höflich. Dies war ein Mann, der versucht hatte, mich umzubringen, aber weder er noch ich gaben das zu erkennen und führten stattdessen ein gestelztes Gespräch. Ich wusste, was er dachte. Er dachte, dass der Abschnitt des Walls, der sich ans Bischop's Gate anschloss, der schwächste auf den gesamten drei Meilen der römischen Verteidigungsmauer war. Er bot den einfachsten Zugang, auch wenn der übelriechende Graben ein ernstzunehmendes Hindernis bildete, doch östlich des Tors waren die Mauerblöcke aus Kieselsandstein stellenweise eingebrochen und durch Palisaden aus Eichenstämmen ersetzt worden. Ein ganzer Abschnitt des Walls zwischen dem Bischop's Gate und dem Old Gate war verfallen. Als ich Befehlshaber der Garnison war, hatte ich die Palisade errichten lassen, aber auch sie musste wieder instand gesetzt werden, und wenn Lundene damals hätte erobert werden sollen, dann wäre dies die geeignetste Stelle fur einen Angriff gewesen, und Eohric dachte das auch. Er deutete auf den Mann neben sich. »Das ist Jarl Oscytel«, sagte er.
Oscytel war der Anführer von Eohrics Haustruppen. Er sah aus, wie man es sich vorstellt, groß gewachsen, mit unbarmherzigem Blick, und ich nickte ihm zu, und er nickte zurück. »Seid Ihr auch zum Beten hergekommen?«, fragte ich ihn.
»Ich bin gekommen, weil es mir mein König befohlen hat«, sagte Oscytel.
Und warum, dachte ich wütend, hatte Edward diesen Unsinn zugelassen? Eohric und Oscytel konnten leicht zu Feinden von Wessex werden, doch hier waren sie, wurden in Lundene willkommen geheißen und als Ehrengäste behandelt. An diesem Abend gab es ein großes Fest, und einer von Edwards Harfnern sang in einem langen Versgedicht Eohrics Lob und pries seinen Heldenmut, obwohl sich Eohric in keiner Schlacht viel Ansehen verdient hatte. Er war ein durchtriebener, gerissener Mann, der durch Gewalt herrschte, der den Kampf vermied, und der überlebte, weil sein Königreich am Rande Britanniens lag, sodass es nicht von Armeen durchquert wurde, die zur Schlacht mit ihren Feinden zogen.
Dennoch war Eohric nicht zu unterschätzen. Er konnte mindestens zweitausend gut ausgerüstete Kämpfer in den Krieg fuhren, und wenn die Dänen jemals einen ernsthaften Angriff auf Wessex planen würden, dann wären Eohrics Männer eine bedeutende Verstärkung ihrer Kampfkraft. Und umgekehrt hätten auch die Christen die zweitausend Männer gern in ihre Reihen aufgenommen, falls sie sich zum Angriff auf die Heiden im Norden entschlossen. Beide Seiten wollten der anderen Eohric abspenstig machen, und Eohric nahm die Geschenke, machte Versprechungen und tat nichts.
Eohric tat nichts, und doch war er der Schlüssel zu Plegmunds großartiger Vorstellung, ganz Britannien zu einen. Der Erzbischof behauptete, der Einfall sei ihm in einem Traum nach Alfreds Tod gekommen, und er hatte Edward eingeredet, dass ihm dieser Traum von Gott geschickt worden war. Britannien würde durch Christus geeint, nicht durch das Schwert, und es lag etwas Vielversprechendes in dieser Jahreszahl, dem Jahr 900. Plegmund nämlich glaubte und überzeugte davon auch Edward, dass die Wiederkehr Gottes im Jahr 1000 bevorstand, und dass es der göttliche Wille sei, die letzten hundert Jahre des christlichen Jahrtausends mit der Bekehrung der Dänen in der frohen Erwartung der Wiederkunft des Herrn zu verbringen. »Der Krieg hat versagt«, verkündete
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