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Uhtred 6 - Der Sterbende König

Uhtred 6 - Der Sterbende König

Titel: Uhtred 6 - Der Sterbende König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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es nicht.
    »Berührt sie nicht, Herr«, flehte Ludda.
    »Ælwold hat gesagt, dass schon sein Vater ihre Ruhe gestört hat«, sagte ich, auch, um mich selbst zu überzeugen, »also haben wir wohl nichts zu befürchten.«
    »Er hat ihre Ruhe gestört, Herr, und das bedeutet, dass er sie geweckt hat. Und jetzt warten sie darauf, Rache nehmen zu können.« Die Skelette lagen in unordentlichen Haufen, Erwachsene und Kinder durcheinander. Ihre Schädel grinsten uns an. Ein Knochenschädel wies eine klaffende Öffnung an der linken Seite auf, und an einem anderen klebten noch einige Haare. Das Skelett eines Kindes lag zusammengerollt im Schoß eines Erwachsenenskeletts. Ein anderer Toter streckte seinen Knochenarm nach uns aus, die Fingerknochen auf dem Steinboden verstreut. »Ihre Geister sind hier«, flüsterte Ludda, »ich kann sie spüren, Herr.«
    Mich überlief ein kalter Schauder. »Reite zurück nach Fagranforda«, wies ich Ludda an, »und komm mit Pater Cuthbert und meinem besten Jagdhund wieder.«
    »Eurem besten Jagdhund?«
    »Blitz, bring ihn her. Morgen erwarte ich dich zurück.«
    Wir krochen aus dem Durchgang ins Freie, und die Sklaven rollten den mächtigen Felsblock zurück, der die Toten von den Lebenden trennte, und an diesem Abend hingen leuchtende blassblaue Schlieren am Himmel und schimmernde weiße Wolken, die hoch oben vorbeizogen und die Sterne verbargen. Ich hatte solche Lichter schon früher gesehen, gewöhnlich im tiefsten Winter, und immer nur am Nordhimmel, doch es war bestimmt kein Zufall, dass sie den Himmel an dem Tag leuchten ließen, an dem ich Licht zu den Toten unter der Erde getragen hatte.
    Ich hatte von Ælwold ein Haus gemietet. Es war ein Römerhaus, zum größten Teil verfallen, und es lag nahe bei einem Dorf namens Turcandene und von dem Grabmal aus nur einen kurzen Ritt südwärts. Brombeerranken hatten beinahe das gesamte Haus erobert, und Efeu kroch an seinen bröckelnden Wänden hinauf, doch die beiden größten Räume, von denen aus die Römer einst das Umland beherrscht hatten, waren als Viehstall genutzt worden, und in ihnen boten grobbehauene Deckenbalken und ein stinkendes Strohdach Schutz vor dem Wetter. Wir säuberten die Räume, schliefen unter dem Strohdach und kehrten am nächsten Tag zu dem Grab zurück. Nebel hing über der langgestreckten Erhebung. Dort wartete ich, und die Sklaven hockten ein paar Schritt entfernt. Ludda kam gegen Mittag zurück, der Nebel hatte sich immer noch nicht verzogen. Er führte Blitz, meinen guten Hirschhund, an der Leine, und auch Pater Cuthbert war bei ihm. Ich übernahm die Leine von Ludda. Der Jagdhund winselte, und ich kraulte ihm die Ohren. »Was Ihr zu tun habt«, erklärte ich Cuthbert, »ist sicherzustellen, dass uns die Geister in diesem Grab nicht stören.«
    »Darf ich fragen, Herr, was Ihr hier vorhabt?«
    »Was hat Ludda Euch erzählt?«
    »Nur, dass Ihr mich braucht und wir das Hündchen mitbringen sollen.«
    »Mehr müsst Ihr nicht wissen. Und sorgt dafür, dass diese Geister vertrieben werden.«
    Wir wälzten den großen Eingangsfels weg, und Cuthbert ging in das Grab, skandierte Gebete, verspritzte Weihwasser und stellte ein Kreuz auf, das er aus den Asten eines Baumes gemacht hatte. »Wir müssen bis Mitternacht warten, Herr«, erklärte er mir, »um sicher zu sein, dass die Gebete gewirkt haben.« Er war beunruhigt, und seine Gesten drückten Hoffnungslosigkeit aus. Er hatte riesenhafte Hände und schien nie zu wissen, was er damit anfangen sollte. »Werden mir die Geister gehorchen?«, fragte er sich selbst und fuhr dann fort: »Ich weiß es nicht! Sie schlafen bei Tag, und wenn sie aufwachen, sollten sie sich hilflos und in Ketten fühlen, aber sind sie vielleicht mächtiger, als wir wissen? Heute Nacht werden wir es erfahren.«
    »Warum heute Nacht? Warum nicht jetzt?«
    »Sie schlafen bei Tag, Herr, heute Nacht wachen sie auf und kreischen wie gemarterte Seelen. Und wenn sie die Ketten zerbrechen?« Ein Schauder überlief ihn. »Aber ich werde die ganze Nacht da sein und die Engel anrufen.«
    »Engel?«
    Er nickte mit ernster Miene. »Ja, Herr, Engel.« Er erkannte meine Verwirrung und lächelte. »Oh, stellt Euch die Engel nicht als schöne Mädchen vor, Herr. Das einfache Volk glaubt, Engel wären liebreizende, strahlende Geschöpfe mit wundervollen«, er hielt inne, seine Riesenhände flatterten vor seiner Brust, »Rehzwillingen«, setzte er schließlich hinzu, »aber in Wahrheit sind es die Schildkrieger

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