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Uhtred 6 - Der Sterbende König

Uhtred 6 - Der Sterbende König

Titel: Uhtred 6 - Der Sterbende König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Cornwell
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sagte sie, »und hatte langes Haar wie Ihr, aber er war trotzdem Sachse.« Die meisten Sachsen schneiden ihr Haar, während die Dänen es lieber lang wachsen lassen. »Die Mönche haben ihn den Sachsen genannt, Herr«, fuhr die Witwe fort, »aber wer es war, kann ich nicht sagen.«
    »Und er war ein Herr?«
    »Er trug die Kleidung eines Herrn.«
    Und ich trug Eisen und Leder. Ich hörte nichts Bedrohliches im Wald, also ging ich mit hochgezogenen Schultern unter tropfendem Blattwerk weiter, bis ich vor mir einen hoch aufragenden, von oben nach unten gespaltenen Kalk-Steinfelsen sah, bei dem der Pfad endete. Wasser sickerte an der Felswand herab, und unten aus der Felsspalte schoss der Fluss hervor und schäumte weiß über herabgestürztes Gestein, bevor er zwischen den Bäumen fortströmte. Ich ließ meinen Blick herumschweifen, doch ich sah niemanden, hörte niemanden. Es kam mir so vor, als würde kein einziger Vogel singen, aber das lag wohl an meinen bösen Ahnungen. Das Rauschen des Flusses war laut. Ich entdeckte Fußspuren im Kies und Steine, mit denen der Wasserlauf abgelenkt worden war, doch keine der Spuren war frisch, und deshalb atmete ich tief ein, kletterte über das herabgestürzte Gestein, und betrat den schlitzartigen Mund der Höhle, der von Farnen eingerahmt war.
    Ich weiß noch, wie ich mich in dieser Höhle fürchtete, es war eine größere Furcht, als ich sie bei Cynuit empfunden hatte, als sich Ubbas Männer zum Schildwall aufstellten, um uns zu töten. Ich berührte den Thorshammer, der um meinen Hals hing, und ich sagte ein Gebet an Hoder auf, den Sohn Odins und blinden Nachtgott, und dann tastete ich mich vor, duckte mich unter einem Felsbogen hindurch, hinter dem das letzte graue Licht des Spätnachmittags schnell versickerte. Ich wartete, bis sich meine Augen an die Düsternis gewöhnt hatten, und ging weiter, wobei ich versuchte, oberhalb des Flusses zu bleiben. Meine Schritte knirschten auf seinem schmalen Rand aus Kies und Sand. Langsam schob ich mich durch einen engen, niedrigen Felsdurchgang. Es wurde spürbar kälter. Ich trug einen Helm, und er streifte mehr als einmal an den Felsen entlang. Wieder tastete ich nach meinem Thorshammer. Diese Höhle war ganz gewiss einer der Eingänge zur Unterwelt, in der Yggdrasil wurzelte und die drei Nornen über unser Schicksal bestimmen. Es war ein Ort für Kobolde und Elfen, für die Schattenwesen, die uns heimsuchen und über unsere Hoffnungen spotten. Ich fürchtete mich.
    Ich glitt auf dem Sand aus, stolperte vorwärts, und spürte, dass der Durchgang hinter mir lag und dass ich mich in einem großen, hallenden Raum befand. Ich sah Licht schimmern und fragte mich, ob mir meine Augen einen Streich spielten. Wieder berührte ich den Thorshammer, und dann legte ich meine Hand an Schlangenhauchs Griff. Ich stand bewegungslos, hörte Wasser tropfen und das Rauschen des Flusses, aber ich lauschte auf ein Geräusch von einem Menschen. Meine Finger krampften sich um den Schwertgriff, und ich betete zum blinden Hoder, dass er mich durch diese Finsternis leiten solle.
    Und dann war da Licht.
    Ganz unvermittelt. Es waren nur ein paar Binsenlampen, aber sie waren hinter Abschirmungen verborgen gewesen, und nun wurden diese Abschirmungen auf einmal weggezogen, und die kleinen, rauchenden Flammen wirkten blendend hell in der vollkommenen Dunkelheit.
    Die Binsenlichter standen auf einem Felsen mit einer glatten, tischähnlichen Oberfläche. Ein Messer, ein Becher und eine Schale befanden sich neben den Lampen, die eine Felskammer so hoch wie jeder erdenkliche Palas erhellten. Von der Decke der Höhle hingen bleiche Steine herab, die aussahen, als wären sie im Fließen erstarrt. Flüssiger Stein, durchzogen von bläulicher und grauer Farbe, und all das sah ich in einem einzigen Augenblick, dann starrte ich das Geschöpf an, das hinter dem Felstisch kauerte und mich beobachtete. Das Wesen hing wie ein schwarzer Umhang in der Dunkelheit, ein Umriss in den Schatten, eine gekrümmte Form, das aglæcwif, doch als sich meine Augen an das Licht gewöhnt hatten, sah ich, dass die Gestalt klein war, zerbrechlich wie ein Vogel, so alt wie die Zeit, und mit einem so dunklen und zerfurchten Gesicht, dass es aussah wie Leder. Ihr schwarzer Wollumhang war verdreckt, und seine Kapuze verdeckte ihr schwarzes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar. Sie war die Hässlichkeit in Menschengestalt, die galdricge, das aglæcwif, Ælfadell.
    Ich rührte mich nicht, und ich

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