Uli Borowka - Volle Pulle: Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker (German Edition)
Saison, mit dem obligatorischen Tritt in den Hintern, aus dem Amt gekegelt worden war. Sämtliche Warnungen meines Freundes, der die Berliner Fußballszene seit Jahren kannte, waren vollauf berechtigt gewesen.
Doch nun, in meiner zweiten »Amtszeit« beim BAK, waren die Monate bei Türkyiemsspor längst verdrängt und vergessen. Mit manischem Eifer stürzte ich mich auf meine neue Aufgabe, änderten in den ersten zwei Wochen die Taktik komplett und ließ innerhalb der Mannschaft keinen Stein auf dem anderen. Die Mannschaft ließ sich von meinem Eifer anstecken. Wir bewegten uns im sicheren Mittelfeld. Endlich hatte ich das Gefühl, in meinem neuen Leben durchzustarten. Eine Aufgabe zu haben, an der ich wachsen und gedeihen konnte, an der ich mich verausgaben konnte. Mein Verdienst als Trainer beim BAK war nicht der Rede wert, viel wichtiger war einzig und allein die Aufgabe. Doch kaum hatte ich mich an dieses Gefühl gewöhnt, war die Zeit beim BAK auch schon wieder vorbei. Immerhin hatte ich mich diesmal aus freien Stücken dazu entschieden. Regelmäßig hatten mir Vereinsverantwortliche in meine Arbeit als Trainer reingequatscht, und obwohl ich dieses Vorgehen wiederholt kritisierte, wurde es nur noch schlimmer. Nach einem Auswärtsspiel gegen Hansa Rostock II fuhr ich nicht, wie sonst üblich, mit dem Mannschaftsbus zurück nach Berlin, sondern stieg zu unserem Präsidenten ins Auto und erklärte ihm meinen Rücktritt. Trotz meiner Perspektivlosigkeit, trotz des schönen Gefühls, wieder Verantwortung zu übernehmen, wollte ich mir die Art und Weise der BAK-Entscheider nicht mehr gefallen lassen und kündigte nach sieben Monaten.
Bruchstücke. Kleine Sprünge im neuen Leben. Nichts Halbes und nichts Ganzes. Mal auf und mal ab. Ein Leben wie ein Börsenkurs. Heute hier, morgen dort. Wo wollte ich hin? Was war der Plan? Was hatte ich selbst mit mir vor? Im Mai 2002 hatte ich meinen 40. Geburtstag gefeiert, die Hälfte meines Lebens war damit erreicht. In diesem Alter wissen andere Menschen ganz genau, wo sie stehen, was sie wollen, wohin sie noch können. Ich nicht. Ich hatte die große berufliche Karriere bereits hinter mir, mein Privatleben glich einer Großstadt nach einem Bombenangriff. Überall Zerstörung und verletzte Seelen. Wo sollte ich mit den Aufräumarbeiten beginnen? Und eigentlich: War ich dazu überhaupt in der Lage? In der Klinik war es der klar geregelte Tagesablauf gewesen, der mich wieder aus dem Dunklen geführt hatte, jetzt war ich für diesen Tagesablauf selbst verantwortlich. Eine verdammt schwere Aufgabe. Ich kam mir vor wie ein Schiff, das zwar mit Kapitän, aber ohne Rettungsanker auf hoher See durch die Wellen schlingerte.
Zumindest blieb ich nicht einfach morgens im Bett liegen oder verplemperte meine Zeit vollständig in den Berliner Casinos. Kurzzeitig hatte ich mich als Zugpferd für zwei Berliner Sportmarketing-Agenturen einspannen lassen, war für einen kurzen Moment sogar sehr gut bezahlt worden. Sie boten mir an, schon sehr bald eine eigene Zweigstelle zu leiten. Gutgläubig und naiv wie ich war, war ich prompt darauf reingefallen, nach zwei Monaten hatte auch ich begriffen, dass meine neuen Kollegen Hochstapler waren, denen ich helfen sollte, irgendwelche Luftschlösser aufzubauen. Wieder so ein Bruchstück.
Etwas erfolgreicher war die Zeit als Spielervermittler. Gemeinsam mit Balli hielt ich parallel zu meinem Trainerjob beim BAK Ausschau nach Talenten aus dem Berliner Raum. Unser erster Spieler war ein gewisser Francis Banecki, ein 1,92 Meter großer Abwehrhüne. Ein riesengroßes Talent. Francis spielte damals in der Jugend bei Tennis Borussia Berlin und wollte, wie man so schön sagt, den nächsten Schritt machen. Durch einige alte Kontakte vermittelte ich ihm ein Probetraining bei Manchester City. Schon nach dem ersten Training wollten die Engländer Banecki nicht mehr hergeben. Doch noch bevor er auf die Insel wechseln konnte, entschied er sich für das Angebot von Werder Bremen, auch diesen Kontakt hatte ich ihm vermittelt. Das Fundament für eine große Karriere war gelegt. Banecki hatte alles: Er war jung, er war stark, er war groß, er war talentiert. Doch er ließ sich – wie so viele vor und nach ihm – vom schnellen Erfolg blenden. Kaum dass er sein Debüt für Werders Profis gegeben hatte, in der Champions League gegen den RSC Anderlecht, bekam ich einen Anruf von ihm. Er habe sich einen anderen, besseren, Berater gesucht, er brauche mich nicht mehr.
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