Ulysses Moore – Die Insel der Masken
mit Fischen, Obst oder Ingwer gefüllt waren. Straßenhändler boten Hühner oder Singvögel feil.
Jason breitete auf den weißen Pflastersteinen den Stadtplan von Venedig aus und versuchte herauszubekommen in welchem Teil der Stadt sie waren. Sie fanden auf dem Plan die Casa Caboto am Rio di Castello, unweit des Arsenals, der großen Werft von Venedig. Also musste der wichtigste Platz der Stadt, der Markusplatz, rechts von ihnen liegen und links der Hafen von Venedig, das Tor zum Meer.
»Wenn diese Stadt ein Zentrum hat, dann muss es dort sein«, entschied Jason.
»Ob das wohl der geeignetste Ort ist, um nach einem Uhrmacher zu suchen?«, meinte Rick zweifelnd.
»Fragen wir doch einfach jemanden«, schlug Julia vor. »Einen von diesen Passanten, oder die beiden Bettler mit dem Hund.«
»Und was sollen wir sie fragen?
»Wir können uns ja erkundigen, wo in der Stadt das Viertel der Uhrmacher ist«, erwiderte Julia.
»He!«, rief Rick, der gerade seine Uhr aus der Tasche gezogen hatte. »Sie funktioniert!«
»Wie ist das möglich? Meine ist stehen geblieben, genau wie beim letzten Mal«, entgegnete Julia.
»Offenbar sind Peters Uhren auch für Zeitreisen gebaut«, erklärte Rick, ohne den Blick von den Zeigern seiner Uhr zu lösen, die sich über dem Zifferblatt mit der weißen Eule bewegten.
»Ja, klar. Und dir hat er sie absichtlich verkauft«, spottete Jason.
»Oh, das ist
mucho
schön!«, hörten sie plötzlich hinter sich eine Stimme. »
Mucho
wunderschön!«
Es war einer der beiden Bettler mit dem Hund, ein schlaksiger, junger Mann mit Augen von einem so hellen Blau, dass sie beinahe weiß erschienen. Seine langen Haare quollen unter einem Kopftuch hervor und seine Kleider waren zerrissen, an vielen Stellen geflickt und ausgebleicht.
»Ein so schönes Ding und muy wertvoll«, sagte er nun und lächelte so breit, dass man seine vielen Zahnlücken sah.
Rick beeilte sich seine Uhr im Rucksack verschwinden zu lassen, während Julia zu dem Mann sagte: »Können wir dich etwas fragen?«
Der Bettler machte einen Schritt zurück und verneigte sich spöttisch: »Aber
naturalmente
, kleine
señorita!
Don Diego Valente steht zu Eurer Verfügung!«
»Prima. Wir suchen nämlich ... hm ... einen Uhrmacher.«
»Qué? Ich meine natürlich: Wie bitte?«
»Einen Uhrmacher. Du weißt schon, einen, der Uhren macht«, erklärte Jason. »Dinge wie das
mucho
wunderschöne Ding, das du gerade gesehen hast. Tic tac, tic tac, verstehst du?«
»Ach ja, tic tac,
naturalmente!
«, rief der Bettler. »Uhren, Maschinen por el tiempo, Maschinen für die Zeit. Gut,
amigo
, Venedig ist voller Maschinen für die Zeit. Folgt mir!«, befahl der Bettler und ging zu seiner Gefährtin mit dem kleinen Hund. »Dieguita!«, schrie er und fügte einige Worte in einer fremden Sprache hinzu.
Dieguita war ein hochgewachsenes, kräftiges Mädchen mit einem schmutzigen Gesicht und noch schmutzigerer Kleidung. Sie roch furchtbar. Als sie aufhörte auf der Flöte zu spielen, bellte der Hund. Er klang ziemlich erleichtert. Es war eine Promenadenmischung mit rauem, braunem Fell. Die Bettler hatten ihm einige Glöckchen an Hals und Beine gebunden und ihm eine Mütze aus rosafarbenem Stoff aufgesetzt. Der Hund schien sich furchtbar dafür zu schämen.
»Hör mal, Dieguita! Diese
amigos
suchen nach einem Laden mit Maschinen für die Zeit. Hast du verstanden?«
Dieguita hatte sehr gut verstanden und schien böse auf ihren Gefährten zu sein, der ihr so wenig zutraute. Zwischen den beiden kam es zu einem sehr lauten und heftigen Streit. Erst als er wieder beigelegt war, zeigten sie Julia, Jason und Rick den Weg.
»Zuerst geht ihr ganz geradeaus«, erklärte Dieguita. »Dann dicht an den Säulen vorbei und nicht mitten auf der Gasse, denn das bringt Unglück. So kommt ihr zum Markusplatz. Da guckt ihr auf die
torre
, den Turm. Und am Turm ist eine ganz große Maschine für die Zeit, ganz, ganz groß und ganz, ganz neu. Sie wird euch sicher
mucho
gefallen!«
Don Diego Valente unterbrach sie. »Aber Dieguita,
mi amor
, sie suchen doch einen Laden.«
Die Bettlerin wurde wieder wütend. »Ja und?«, brüllte sie. »Wenn sie einen Laden suchen, können sie sich ja auch gleich die große Maschine für die Zeit ansehen.«
Valente brummte: »Sie suchen doch nicht die große Maschine für die Zeit!«
Die beiden begannen wieder miteinander zu streiten. Dann erklärte Don Diego: »Auf dem Markusplatz fragt ihr nach der Rialtobrücke und der
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