Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ulysses

Ulysses

Titel: Ulysses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
Vom Netzwerk:
zu Zeit ihre kleinen Zänkereien, ganz wie die übrigen Sterblichen auch), und sie hatte ihr damals noch gesagt, sie dürfe unter gar keinen Umständen weitersagen, saß sie es gewesen wäre, die es ihr erzählt, oder sie würde nie wieder ein Wort mit ihr sprechen. Nein. Ehre, wem Ehre gebührt. Es war eine angeborene Feinheit, eine matte königliche hauteur an Gerty, die sich unmißverständlich in ihren zarten Händen und dem hochgewölbten Spann bewies. Hätte ein freundlich Geschick es gewollt, daß sie als Edelfräulein von hohem Rang mit eigenem Besitz wäre geboren worden, und hätte sie nur die Wohltat einer guten Erziehung empfangen, Gerty MacDowell hätte gar leicht neben jeder Dame im Lande bestehen können und wäre vielleicht in herrlichen Gewändern einhergeschritten, die Stirn mit Juwelen geschmückt und zu den Füßen patrizische Freier, die miteinander gewetteifert hätten, ihr Huldigungen darzubringen. Vielleicht war es dies, die Liebe, die hätte können sein, was den sanften Zügen ihres Gesichts mitunter einen Ausdruck verlieh, erfüllt von unterdrückter innerer Spannung, welcher den schönen Augen etwas seltsam Sehnsuchtsvolles mitteilte, einen Zauber, dem nur wenige widerstehen konnten. Warum haben Frauen solche verzaubernden, behexenden Augen? Diejenigen Gertys waren vom allerblauesten irischen Blau, geziert von glänzenden Wimpern und dunklen ausdrucksvollen Brauen. Es hatte eine Zeit gegeben, da waren diese Brauen noch nicht so seidigverführerisch gewesen. Erst Madame Vera Verity, der Directrice der Frauenschönheits-Seite in der Princess Novelette, verdankte sie den Rat, es doch einmal mit Augenbrauoline zu versuchen, welches den Augen jenen verzaubernden Ausdruck gab, der den in der Mode tonangebenden Frauen so berückend stand, und sie hatte es nie bereut. Dann gab es dort noch Erröten wissenschaftlich geheilt, und auch wie man groß wird, vergrößern Sie Ihre Körperlänge, und Sie haben ein schönes Gesicht, aber wie steht es mit Ihrer Nase? Das wäre etwas für Mrs. Dignam gewesen, denn die hatte einen richtigen Knubbel. Doch Gertys krönender Ruhm war ihr Reichtum an wundervollem Haar. Es war dunkelbraun und hatte natürliche Wellen. Sie hatte es grad an diesem Morgen geschnitten, weil doch Neumond war, und es ruschelte sich um ihren hübschen Kopf in einer schieren Überfülle üppiger Büschel, und ebenfalls geschnitten hatte sie sich die Nägel, donnerstags bringt das Reichtum. Und eben jetzt, als ihr bei Edys Worten eine verräterische Röte, köstlich wie die zarteste Rosenblüte, in die Wangen stieg, sah sie so lieblich aus in ihrer süßen mädchenhaften Scheu, daß mit Gewißlichkeit Gottes schönes Irland nicht ihresgleichen hegte.
    Einen Augenblick lang war sie still, mit ziemlich traurig niedergeschlagenen Augen. Sie schickte sich an, eine patzige Antwort zu geben, doch irgend etwas hielt die Worte auf ihrer Zunge zurück.
    Ein inneres Bedürfnis drängte sie zu sprechen: Würde aber gebot ihr zu schweigen. Die hübschen Lippen rümpften sich kurze Zeit zu einem Schmollen, doch dann blickte sie auf und brach in ein heiteres kleines Lachen aus, das die ganze Frische eines jungen Maimorgens in sich trug. Sie wußte recht wohl, besser wußte es keiner, was die schieläugige Edy das hatte sagen lassen, das wegen ihm, daß er nämlich kühler geworden wäre in seinen Aufmerksamkeiten, wo es doch bloß ein einfacher Streit unter Liebenden gewesen war. Das war ja bloß das Übliche, daß sich jemand die Nase verrenkte wegen dem Jungen, der das Fahrrad hatte und immer unter ihrem Fenster auf und ab fuhr. Nur hielt ihn sein Vater jetzt abends dauernd zu Hause, wo er stramm studieren mußte, um bei der Zwischenprüfung, die gerade lief, ein Stipendium zu kriegen, weil er dann nämlich aufs Trinity College wollte und Doktor werden, wenn er mit der Schule fertig war, wie sein Bruder W. E. Wylie, der bei den Fahrradrennen der Trinity College-Universität mitfuhr. Im Moment kümmerte es ihn ja vielleicht nicht besonders, was sie empfand, die dumpfe schmerzende Leere in ihrem Herzen manchmal, die sie bis ins Innerste durchdrang. Doch er war ja noch jung, und vielleicht lernte er noch beizeiten, sie zu lieben. Sie waren Protestanten in seiner Familie, und natürlich wußte Gerty, wer der Erste war, und nach ihm erst kam die gesegnete Jungfrau und dann der heilige Joseph. Aber er war ganz unbestreitbar hübsch, hatte eine wunderbar schöne Nase, und er war auch ganz das, was sein

Weitere Kostenlose Bücher