Um Leben Und Tod
eine hohe Opfergefährdung sprechen.
Der zeitliche Ablauf am Montag wird daher stark abhängig vom Zeitpunkt der Geldabholung sein. Wird das Geld sehr früh abgeholt, könnte der Täter noch Zeit für die Freilassung haben, bei einer späteren Abholung kann damit nicht gerechnet werden.
Die Analyse lieà keinen Zweifel, Jakob schwebte in extremer Gefahr.
Ich stand an der groÃen Magnettafel und studierte alle bis dahin bekanntgewordenen Namen, die uns gefaxt worden waren. Ein Teil meiner Mitarbeiter hatte alle feststellbaren Erkenntnisse über die aufgelisteten Personen zusammengefasst. Jeder Name konnte ein Verdächtiger sein. Die Informationen über Person und soziales Umfeld, die wir beschaffen konnten, mussten ausgewertet werden, um eine mögliche kriminelle Energie einschätzen zu können. Die ersten Nachforschungen blieben ohne Ergebnis.
Uns fehlten noch die Bankinformationen darüber, ob einer der Aufgelisteten so groÃe Schulden hatte, dass ein solches Verbrechen plausibel erscheinen würde.
Keine Vorstrafen. Vielleicht hegt jemand Rachegelüste? Ein ehemaliger Kunde der Bank, ein entlassener Angestellter, eine beim Klauen erwischte Haushaltshilfe, ein auf den Wohlstand der Familie neidischer Vater eines Schulkameraden? Aber die mir vorliegenden Informationen erbrachten keinen Hinweis. Wahrscheinlich fehlte jemand auf der Liste. In der Aufregung musste einem Familienmitglied ein Name, eine Erinnerung entfallen sein, eine Randfigur ihres Daseins, vielleicht so unauffällig, dass diese Person nicht einmal bewusst wahrgenommen wurde. Nach der Analyse der Beratergruppe war der Täter fast zweifellos im Bekanntenkreis zu suchen.
Ich hatte das Gefühl, dass der Brief lange vor der Entführung geschrieben worden war, da mir diese Wartezeit bis zur Geldübergabe suspekt und nicht nachvollziehbar erschien. Warum schenkten die Täter der Polizei zwei Tage, die Geldübergabe vorzubereiten, so dass sie gar keine Chance haben würden, zu entkommen? Wie konnten sie sich so sicher sein, dass die Familie nicht die Polizei benachrichtigen würde? Es war offensichtlich, dass der oder die Täter keine Profis waren. Und dass sie nicht wussten, was es bedeutete, ein verängstigtes Kind drei Tage lang zu betreuen und in einem Versteck am Leben zu erhalten.
Ich empfand Wut und Abscheu. Aus Geldgier mit einem Kinderleben zu spielen! Mich ergriff das düstere Gefühl, alle Bemühungen kämen zu spät. Niemals wollte ich erleben, dass eines meiner Kinder in einer solchen Gefahr schweben müsste, es war unmenschlich, da konnte niemand unbeschadet davonkommen. Jakob sowieso nicht, aber auch die Eltern und Geschwister würden ihr Leben lang mit Ãngsten und schlechtem Gewissen zu kämpfen haben, mit der Belastung, im Moment der Not nicht da gewesen zu sein.
Sandra und Frank, zwei Kollegen aus meinem Kommissariat, kehrten von der Suche nach möglichen Entführungsschauplätzen zurück und unterbrachen meine Gedanken.
»Vor der Schule scheint uns eine Annäherung eher unwahrscheinlich, da kennt jeder jeden. Es bleibt die Möglichkeit einer Kontaktaufnahme im Bus oder an der Haltestelle, an der Jakob den Bus verlassen hat. Wir wissen aber, dass einige Schulkameraden dieselbe Buslinie wie Jakob benutzen, das wäre für die Täter zu gefährlich. Deshalb glauben wir, dass die Haltestelle, an der Jakob den Bus verlassen hat, der bestmögliche Platz gewesen wäre, um ihn abzufangen«, erklärte Sandra.
»Es gibt genug Parkmöglichkeiten, sollte der Täter ein Auto benutzt haben, die Stelle ist nicht sehr frequentiert, eine Tankstelle liegt gegenüber der Haltestelle, längs der Mörfelder LandstraÃe wachsen an dieser Stelle einige mannshohe Büsche. Die nächste EinkaufsstraÃe liegt ungefähr 300 Meter entfernt, ebenso eine groÃe Siedlung, die ehemaligen Eisenbahnerwohnungen«, beschrieb Frank die Situation.
»Wir haben natürlich nach Spuren und etwaigen Indizien Ausschau gehalten, wie der Schultasche oder einem verlorenen Kleidungsstück, aber nichts gefunden.«
»Solange die Entführung nicht offiziell bekanntgemacht wird, können wir auch niemanden nach Hinweisen fragen â zum Beispiel könnte der Tankwart etwas Ungewöhnliches bemerkt haben«, sagte Sandra.
»Das beschränkt auf alle Fälle schon einmal die Tatortauswahl und bestätigt, was Jakobs Freund zu
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