Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel
seiner Jugend unter TBC leidend, wurde zum »Gewissen seiner Zeit«, der große Moralist, dessen Werke von der Philosophie des Absurden geprägt sind, von der Erkenntnis der Sinnlosigkeit des menschlichen Daseins. Sie geben das Lebensgefühl seiner Generation wieder, die in zwei Weltkriegen die Zerstörung aller Ordnungen und Werte erleben mußte und die Ohnmacht gegenüber dem sogenannten Lauf der Dinge, in der Politik wie im privaten Leben.
Auch wenn Faulkner vermutete, daß Camus immer noch nach dem Sinn des Lebens suchte, als der Wagen auseinandergerissen wurde an jenem Januartag 1960 in der Nähe von Sens, so fand man ihn doch »mit ruhigem, gleichsam erstauntem Gesicht« im Fond, neben ihm eine schwarze Aktentasche, die das Romanfragment von »Le premier homme« 7 enthielt.
Truman Capote
Über Truman Capote gibt es Anekdoten ohne Zahl, skurril ist gar kein Ausdruck … ein irrer Typ. So was kennen wir in unserer braven Republik nicht. Wenn bei uns mal einer einen lila Smoking trägt, dann ist das schon eine große Sache. Die Engländer haben den schönen Ausdruck »colourful person« – eine farbige Persönlichkeit war Truman Capote jedenfalls. 1981 sagte er in einem Interview: »Ich bin ein Genie. Außerdem bin ich Alkoholiker, drogensüchtig und homosexuell.« Er behauptete, Sex mit Errol Flynn gehabt und in einem Jahr über hunderttausend Dollar für Kokain ausgegeben zu haben.
Truman Streckfus Persons, der den Namen Capote vom zweiten Ehemann seiner Mutter annahm, wuchs in den Südstaaten auf, bei zwei ältlichen Tanten auf einer Ranch. Als Fünfjähriger hat er sich selbst das Lesen beigebracht, mit sieben konnte er Schreibmaschine schreiben, mit zwölf dichtete er bereits und führte Tagebuch. Drei Jahre später war er dann ein kleiner Trinker und auf dem besten Weg, ein Schriftsteller zu werden. In dem Alter, wo andere
Jungen Baseball spielen, schrieb er eine Gesellschaftskolumne für den »New Yorker«, mit siebzehn nahm er sich ein Zimmer in New Orleans und verfaßte Kurzgeschichten. Daneben studierte er Glasmalerei, machte eine Ausbildung als Steptänzer, war Protegé eines Wahrsagers, lebte in Haiti und Europa.
Truman Capote kennt man hierzulande hauptsächlich durch die Verfilmung seines Kurzromans »Frühstück bei Tiffany« mit der hinreißenden Audrey Hepburn. Der sogenannte literarische Durchbruch aber gelang dem Schriftsteller 1965 mit »Kaltblütig«: Er beschäftigte sich sechs Jahre lang mit einem sensationellen Mordfall in Kansas. Eine vierköpfige Familie war in ihrem Haus von zwei Männern auf ziemlich scheußliche Weise ermordet worden. Capote recherchierte bei Verwandten und Nachbarn, trainierte hierfür sein Gedächtnis, um die Interviews möglichst wortgetreu wiedergeben zu können. Die biedere Landbevölkerung vertraute ihm trotz Brokatweste und Kastratenstimme manche diskrete Einzelheit an und ermöglichte ihm dadurch die Rekonstruktion des Verbrechens in allen Einzelheiten. »Non-fiction-Roman« nannte er die neue, dokumentarische Form, eine Art schöpferische Reportage. Immer wieder suchte er die Mörder im Gefängnis auf, über Monate und Jahre hinweg, und verfolgte ihre Biographien bis in die letzten Winkel. Zu seinem Kummer wurde ihre Hinrichtung ein ums andere Mal aufgeschoben, folglich zog sich auch das Erscheinen
seines Buches hin. Es wurde dann ein Superbestseller. Die Verfilmung (1967) sehe ich mir hin und wieder an: die Sache mit dem Silberdollar, der unter das Bett rollt …
Alles, was er schrieb, war eigen-artig. Auf die Idee, eine amerikanische Theatergruppe in die Sowjetunion zu begleiten, die in Masken »Porgy and Bess« aufführen wollte, und dort ein höchst realistisches Porträt des Werktätigenparadieses zu verfertigen, kam in den fünfziger Jahren sonst niemand.
Capote mied die intellektuellen Zirkel und suchte hingegen die Gesellschaft der Reichen in Manhattan, deren Lebensart er bewunderte. Bald war er Stammgast auf Yachten und in Villen, der ungefährliche Begleiter reicher Damen, das Lieblingskind der New Yorker Schickeria. Was sie nicht wußten: Er machte sich unentwegt Notizen über die Extravaganzen dieser Leute, die er zu einem Roman verarbeiten wollte. In Auszügen veröffentlichte er vorab intime Details im »Esquire«, nannte getreu seinem Non-fiction-Prinzip und wohl auch etwas naiv Namen: Jackie Onassis, Gloria Vanderbilt, Prinzessin Margaret – was ihm schlecht bekam. Man zog sich von ihm zurück. Der Jetset schloß ihn aus. Er
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