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Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel

Titel: Umgang mit Groessen - Meine Lieblingsdichter - und andere - Herausgegeben und mit einem Nachwort von Karl Heinz Bittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Céline schildert darin eine (seine) Jugend, die Mutter mit steifem Bein, dauernd hinter ihm her, so daß er, wie er sagte, noch nicht einmal Zeit zum Scheißen hatte.
    Sein berühmtestes Buch »Reise ans Ende der Nacht«, in dem er das Kriegserlebnis von 14/18 und Reisen schildert, nach Afrika beispielsweise (die mörderische Hitze und die
Nässe des Regenwaldes, wie er da in der Hütte sitzt), war sehr erfolgreich und brachte ihm Millionen ein. Diese Bücher sind sozusagen rasend komisch und furchtbar traurig. In wütender Hast geschrieben und atemlos zu lesen.
    Céline, der »Rabelais des Atomzeitalters«, ein Autor, der nicht für politisch korrekte Menschen gedacht ist, Kollaborateur war er, Judenhasser, und ausgerechnet ein Deutschenfreund. Vor dem Vollzug der Todesstrafe, die die Franzosen ganz folgerichtig über ihn verhängten, retteten ihn die milden Dänen, zu denen er bei Kriegsende flüchtete. Sein Vermögen war dort im Garten einer ehemaligen Geliebten vergraben. In »Von einem Schloß zum andern« ist das erzählt, seine Irrfahrt durch Deutschland, zusammen mit seiner Frau und mit einer Katze im Rucksack, die er in den Hotels verbergen mußte. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Monate, die Céline in Sigmaringen, der Kolonie der französischen Kollaborateure, verbrachte, unter Ministern, Regierungsangehörigen, Offizieren und deren Ehefrauen.
    Er bleibt ein Rätsel für uns: Wegen seiner Modernität ist er unter Kennern hochgeschätzt. Seine Texte tragen expressionistische Züge, dieses Schreien und Fäusterecken, das Temperament eines Racheengels. Geschockt schüttelt man den Kopf: nicht nur wegen seines militanten Antisemitismus, sondern auch wegen der schonungslosen, zupackenden Derbheit seiner Sprache. Gottfried Benn urteilte: »Er ist ein primärer Spucker u. Kotzer. Er hat ein
interessantes elementares Bedürfnis, auf jeder Seite, die er verfaßt, mindestens einmal je Scheiße, Pisse, Hure, Kotzen zu sagen.« 9 Wer ihn gelesen hat, kann ermessen, wie segensreich diese Art fremdsprachiger Literatur in unser dumpfes Gruppe-47-Deutschland einfiel. Gern würde ich ihn einmal im Original lesen, aber mein Französisch reicht nicht aus. Die meisterlichen Übersetzungen von Werner Bökenkamp entschädigen allerdings.
    Céline verbrachte seine letzten Jahre in Meudon-sur-Seine bei Paris, wieder als Armenarzt arbeitend und schreibend, beschäftigt mit »den widerlichen Resten meiner Erinnerung«. Das literarische Frankreich, so heißt es, habe bei seinem Tod 1961 aufgeatmet. Erst in den letzten Jahren hat man die Bedeutung seines »revolutionären Werks« (Nathalie Sarraute) wieder erkannt.

Miguel de Cervantes Saavedra
    Miguel de Cervantes Saavedra stammte aus einem verarmten Adelsgeschlecht, der Vater ein mittelloser Landarzt. Als Soldat zog er 1571 gegen die Türken in die Seeschlacht bei Lepanto. Seine linke Hand wurde verstümmelt. Wenige Jahre später geriet er auf der Rückreise vom tunesischen Feldzug mit seinem Bruder in die Gefangenschaft von algerischen Piraten; Fluchtversuche scheiterten, erst nach fünf Jahren wurde er losgekauft. Als Getreidekommissar der Armada und als Steuereinnehmer lebte er in Andalusien, geriet durch Schulden ins Gefängnis. Der Zeitgenosse von Shakespeare und Torquato Tasso verbrachte den Rest seines Lebens kümmerlich in Madrid. An Wassersucht ist er gestorben, im Alter von achtundsechzig Jahren.
    Von Cervantes zu reden heißt, über »Don Quichote« zu sprechen, den »sinnreichen Junker von la Mancha«. Wer kennt schon seine Theaterstücke oder »Das Zwiegespräch der Hunde«, »Der eifersüchtige Estremadurer« oder »Der Galatea erster Teil« – ich jedenfalls nicht.
    Ich lernte den Roman als Kind kennen, in dem schönen
querformatigen Zigarettenbilderalbum »Märchen der Völker«. Meine Sympathien lagen immer auf seiten Sancho Pansas. Wohl dem Überkandidelten, der von einer solchen Type begleitet wird.
    Dieser Ritterroman, der in einer Zeit geschrieben wurde, als es schon längst keine Ritter mehr gab, mit seinen archetypischen Szenen von naiv-eindringlicher Kraft, verwendet parodistisch übersteigerte Elemente der mittelalterlichen Vorbilder, vor allem den Auszug des Helden, der Abenteuer suchen und wehrlose Jungfrauen beschützen will.
    Jenes Paar ist unvergeßlich – Leptosom und Pykniker wie Pat und Patachon, Dick und Doof, auch bei Karl May gab es Ansätze –, auf einem Klepper namens Rosinante reitend und auf einem Esel, der Ritter von der traurigen

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