Umwege zum Glück
Hirschbüttel und installierten sie in Madeleines Zimmer. Meins wurde von dem lautstarken Stammhalter bewohnt.
Wir küßten die Familie ab, setzten uns wieder in den Wagen und fuhren nach Frankfurt.
Als wir im Flugzeug saßen, fürchtete ich einen Augenblick, daß ich gleich aufwachen und mich selbst in der Bude bei Frau Hansen wiederfinden würde. So schön könnte doch nur ein Traum sein!
Unsere Ostafrikareise übertraf meine tollsten Erwartungen.
Wenn ich jetzt an meinem Arbeitstisch sitze und die Augen zumache, sehe ich noch den Obstmarkt in Nairobi, wo ich für zwei Mark eine Unmenge reife Mango und Passionsfrüchte kaufte. Ich sehe das ganze, bunte Straßenleben, all die schwarzen Gesichter, die wachen – und sehr geschäftstüchtigen! – braunen Augen. Ich sehe die Elefantenzähne über Kilidini Road in Mombasa, und ich sehe die Bettler, auf die mich Manfred vorbereitet hatte und die doch einen gewaltigen Eindruck auf mich machten. Und ich spürte, stark und bewußt, einen Drang zum Helfen! Und was konnte ich tun? Ein paar Münzen hinlegen – nichts weiter. Vorläufig! Aber eines Tages komme ich zurück, dann werde ich etwas für euch tun! Das versprach ich mir und ihnen.
Wir machten eine Flugsafari in die bekannten, tierreichen Gebiete in Kenya und Tanzania. Ich habe Serengeti erlebt, ich habe die Baumlöwen in Manyara gesehen, ich war im Ngorongorokrater.
Wir haben auf dem herrlichen Naivashasee eine Bootsfahrt gemacht, und wir haben in dem bezaubernden Klubhaus am Baringosee übernachtet.
Die letzte Woche war die schönste. Wir waren zurück in Nairobi, und da wurden wir per Kleinflugzeug von Heiko und Sonja abgeholt. Zwei wunderbare Tage verbrachten wir bei ihnen und ihren netten Mitarbeitern, einem schwedischen und einem englischen Ehepaar. Ich durfte mit Kito spielen, wir fuhren per Landrover raus ins Gelände mit William, dem netten Wildwart, der mit Heiko und Sonja befreundet war. Wir schliefen nachts in einem „Gästezelt“ und hatten es schöner denn je!
Dann flog Heiko uns ins Uasogebiet, und wir wohnten drei Tage in dem bezaubernden Samburu-Lodge, das aus lauter kleinen Häuschen besteht, jedes Haus für zwei Personen. Dreimal machten wir Pirschfahrten und erlebten alles, was wir auf Sonjas Film gesehen hatten: Wir sahen die Dikdiks, die Netzgiraffen, die Oryxantilopen, die bildschönen Giraffengazellen und die schönen, feingestreiften Grevyzebras mit ihren großen, runden Ohren.
Zwischendurch schwammen wir im schönen Schwimmbecken des Lodges oder saßen mucksmäuschenstill und warteten auf die niedlichen Erdhörnchen, die sich bis zum Beckenrand heranwagten, um die hingestreuten Brotbissen zu sammeln. Dann saßen sie auf den Hinterbeinchen und zeigten ihr hübsches weißes Bäuchlein, stützten sich auf den buschigen Schwanz und knabberten so eifrig wie unsere Eichhörnchen in Europa.
Ich hätte Wochen dort verbringen können.
Aber die Pflichten warteten zu Hause auf uns. Ich stieg ins zweite Semester, und Manfred trat seine Stellung als Assistenzarzt im Tropenkrankenhaus an.
Wir sehen uns viel zu selten. Wenn er übers Wochenende nicht Dienst hat, kommt er nach Hause – im eigenen Wagen! Papa hatte noch einen Vertreterwagen zu vergeben, der Gute! Und wenn mitten in der Woche die Sehnsucht zu groß wird, fahre ich mit Theodor für ein paar Stunden zu ihm. Aber dieser Zustand dauert ja nicht ewig. Bald sind wieder Semesterferien, dann ziehe ich zu meinem Mann, und in einigen Monaten ist sein Assistentenjahr zu Ende, dann wird er in Kiel in einer Unfallklinik arbeiten und hier zu Hause wohnen.
Oh, es geht schon vorwärts mit uns! Wir werden es schaffen!
Zwischendurch kriege ich Briefe von Sonja. Wir haben uns richtig befreundet bei unserem Besuch dort im Sommer.
Heut kam wieder einer. Der, der hier vor mir liegt. Ich lese ihn noch einmal, und es tut weh – es tut so furchtbar weh – und ich frage mich immer, wieder wieso es möglich ist – warum muß so was passieren?
„Liebe Reni, erwarte heut keinen fröhlichen Brief. Ich bin ganz geknickt, ich habe zwei Tage geheult – ich muß es mir von der Seele schreiben. Ach, das ist Quatsch, ich kann es ja nicht loswerden, aber ich muß es einem Menschen erzählen.
Unser William ist tot. Unser guter, lieber William. Es ist nicht zu fassen. Vor zwei Tagen wurde er schwerverletzt hierher gebracht. Du weißt selbst, wie weit es zum Arzt ist.
Er war von Wilderern angeschossen worden.
O Reni – wenn Ihr bloß dagewesen wäret!
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