Umwege zum Glück
mir übers Haar:
„Dies hätte ich nicht gedacht, mein Mädel!“
„Daß ich einmal heiraten würde?“
„O doch, damit habe ich schon gerechnet. Aber daß du so viel Vernunft in deiner Wahl zeigen würdest!“
„Mit anderen Worten, du magst Manfred?“
„Das kann ich wohl sagen. Übrigens kannst du dich morgen ein paar Stunden mit Mutti unterhalten, denn ich habe mit Manfred zu reden; daß du es nur weißt.“
Ich half Mutti, das Babykörbchen zurechtzumachen, und wir hatten weiß Gott keine Schwierigkeit, die Zeit totzuschlagen!
Die beiden Mannsbilder tauchten erst aus Papas Zimmer auf, als das Mittagessen auf dem Tisch stand.
„So ein Starrkopf!“ sagte Papa und schlug Manfred auf die Schulter. „Aber Gott sei Dank, klug ist er auch und hat wohl eingesehen, daß der Klügere nachgibt!“
Zwischen dem Brathuhn und dem Pfirsichkompott erfuhren Mutti und ich, worin Manfreds Klugheit bestand.
Er hatte sich nach zweistündiger Überredung meines Vaters damit einverstanden erklärt, 1. daß ich vorerst meinen Monatswechsel wie bisher haben sollte, 2. daß wir als Hochzeitsgeschenk eine dreiwöchige Afrikareise bekamen, und 3. daß Papa ihm helfen durfte, die sehr gründliche Ausbildung zu kriegen, die ein Arzt haben muß, bevor er in Afrika ein „fliegender Arzt“ werden kann.
Papa war erstaunlich gut im Bilde. Ich ahnte nicht, daß er über die Verhältnisse in Ostafrika stoßweise Bücher gelesen hatte!
„Was ist mit Chirurgie?“ fragte Vati. „Was mit Geburtshilfe?“
„Das stimmt, damit muß ich mich schon beschäftigen“ sagte Manfred sehr zahm.
„Na also. Siehst du, ich interessiere mich doch so brennend für die ganze Entwicklungshilfe, und wenn ich nun dir ein bißchen unter die Arme greife, dann helfe ich ja auch den Menschen da unten! Es dauert noch fünf Jahre, bis Reni ihr Staatsexamen machen kann. Lerne alles, was du brauchst, nutze diese fünf Jahre aus. Meinetwegen kannst du gern zwischendurch eine Vertretung machen, damit du Geld verdienst – aber du brauchst Zeit für die Chirurgie und die Geburtshilfe, – und Kinderheilkunde!“
„Halt!“ rief ich. „Ich werde Kinderärztin! Worauf ihr euch verlassen könnt!“
Ich schaffte die Probewoche in Dr. Sagenaus Praxis, und dann kam der feierliche Augenblick, wo Manfred und ich allein da waren und die ganze Verantwortung trugen. Da gab es vielleicht zu tun! Ich war todmüde, wenn ich abends nach Hause kam, und konnte kaum begreifen, wie Manfred es durchhielt. Er hatte ja die ganze Besuchsrunde zu machen. Es kam auch vor, daß er mitten in der Nacht weg mußte. Es wurde mir klar, daß ein Landarzt dringend Urlaub braucht!
Eines Tages, als unsere Vertretung zu Ende ging, klingelte das Telefon kurz nach der Sprechstunde. Es war unser München.
„Renilein, störe ich nicht? Na das ist ja gut. Hier ist ein Telegramm für dich, soll ich es aufmachen?“
„Ja bitte, bitte!“ ich hörte Papierrascheln und drückte den freien Daumen – einer lag am Telefonhörer.
„Hörst du, Reni?“
„Und ob ich höre!“
Muttchen las langsam und deutlich:
„Gut angekommen. Ich grüße Schwester und Schwager. Hans-Wolf gang.“
Ich schrie so laut vor Freude, daß Manfred vor Entsetzen hochsprang.
Ich schlang meine Arme um seinen Hals: „Manfred! Ein Junge! Ein Junge! Ich habe einen Bruder!“
Und dann fing ich an, vor Freude zu heulen!
An einem sonnigen Frühjahrstag standen wir vor dem Altar in der Kirche, in der ich zwanzig Jahre vorher getauft worden war. Ich soll damals so geschrien haben, daß man kaum die Worte des Pastors hören konnte. Ich hatte Papa feierlich versprochen, diesen Skandal nicht zu wiederholen.
Ich trug Madeleines Brautkleid und Urgroßmutters Ohrringe. Jessica und drei meiner alten Schulfreundinnen waren Brautjungfern. Mutti war wieder gertenschlank und hübscher denn je, Vati strahlte wie die Sonne, und unser Muttchen wischte sich ein paar Tränen der Rührung von den Wangen.
„Wenn meine einzige Tochter heiratet, wollen wir eine richtige Hochzeit haben!“ hatte Vati bestimmt. Also waren Verwandte und Freunde von nah und fern gekommen. Daß die beiden Donnerstagstanten dabei waren, war mir eine große Extrafreude!
Dann ging es zurück zum Hasensteg 21. Manfred hatte dies und jenes zu tun, da flatterten Luftpostbriefe zwischen ihm und Mombasa, zwischen ihm und Nairobi und zwischen mir und Sonja.
Als die Regenzeit da unten vorbei war, wurde es Ernst. Wir brachten Muttchen und Kijana nach
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