Unbeugsam
und schritt auf die Kamera zu. Seine Bewegungen waren genau dieselben wie damals, als er vor den Gefangenen auf- und abstolziert war: mit erhobenem Kopf, herausgestreckter Brust und herrischem Blick. 32
Eines Tages, neun Monate später, saß Louie, der sich auf seine Reise nach Japan als Träger des olympischen Feuers vorbereitete, stundenlang in Gedanken versunken an seinem Schreibtisch. Dann schaltete er seinen Computer ein und begann zu schreiben.
An Matsuhiro [sic] Watanabe,
Die Erfahrungen, die ich als Kriegsgefangener mit Ihren ungerechten, irrationalen Bestrafungsmethoden machte, haben mein Leben nach dem Krieg zu einem Alptraum werden lassen. Das lag nicht in erster Linie an all den Schmerzen und Leiden, die ich durchgemacht habe, sondern an dem Druck der Belastung und Erniedrigung, der dazu führte, dass ich nur noch Hass kannte.
Unter Ihrem Regiment wurden meine Rechte mit Füßen getreten, und zwar nicht nur meine Rechte als Kriegsgefangener, sondern auch als Mensch. Ich hatte ständig darum zu kämpfen, dass ich mir so lange genug Würde und Hoffnung bewahrte, bis der Krieg zu Ende war.
Die Alpträume nach dem Krieg machten mir das Leben zur Hölle, doch dank einer Begegnung mit Gott durch den Prediger Billy Graham konnte ich mein Leben Jesus Christus übergeben. Liebe trat an die Stelle des Hasses, den ich gegen Sie empfunden hatte. Christus sagte: »Vergib deinen Feinden und bete für sie.«
Wie Sie wahrscheinlich wissen, kam ich im Jahr 1952 [
sic
] nach Japan zurück, und es war mir dankenswerterweise gestattet, mit den japanischen Kriegsverbrechern im Sugamo-Gefängnis zusammenzutreffen. … Ich erkundigte mich nach Ihnen und erfuhr, dass Sie wahrscheinlich Hara Kiri begangen hätten, was mich aufrichtig betrübte. In jenem Augenblick habe ich auch Ihnen wie den anderen vergeben und hoffe nun, dass Sie ebenfalls Christ werden.
Louis Zamperini 33
Er faltete den Brief zusammen und nahm ihn mit nach Japan.
|459| Es kam dann allerdings doch nicht zu dem Treffen. CBS setzte sich mit Watanabe in Verbindung und teilte ihm mit, dass Zamperini sich mit ihm treffen wolle. Watanabes Antwort glich einem Fauchen, und sie lautete Nein. 34
Als Louie in Joetsu ankam, hatte er seinen Brief immer noch bei sich. Irgendjemand übernahm ihn dann und versprach, ihn Watanabe zukommen zu lassen. Falls Watanabe ihn erhalten haben sollte, hat er jedenfalls nie darauf reagiert.
Watanabe starb im April 2003. 35
Am Morgen des 22. Januar 1998 fielen über der Siedlung, die früher einmal Naoetsu gewesen war, leise und dicht große Flocken vom Himmel. Louis Zamperini, der vier Tage später seinen 81. Geburtstag feiern sollte, stand in einem weißen Wirbel an einer von hellen Schneewehen gesäumten Straße. Sein Körper war verwittert und von den Jahren deutlich gezeichnet, tief waren in seine Haut die Furchen eingegraben, die von all den Meilen zeugten, die er in seinem Leben zurückgelegt hatte. Seine nicht zu bändigenden schwarzen Haare hatten sich in einen leuchtend weißen Schopf verwandelt, doch seine blauen Augen funkelten wie eh und je. Am Ringfinger seiner rechten Hand hatte er noch immer eine Narbe, die letzte Spur, die
Green Hornet
in der Welt hinterlassen hatte.
Schließlich war es so weit. Louie streckte seine Hand aus und nahm die olympische Fackel entgegen. Seine Beine konnten nicht mehr so enorm kraftvoll ausholen wie früher, doch er konnte sich noch immer sicher auf ihnen bewegen. Er hob die Fackel hoch, verneigte sich und begann zu rennen. 36
Er war, wohin er schaute, von lächelnden Japanern umgeben. Da standen Kinder, von denen man unter ihren Kapuzen manchmal nur die Nasenspitze sah; Männer, die einst neben den versklavten Kriegsgefangenen im Stahlwerk gearbeitet hatten; Leute von der Straße, die fotografierten, klatschten, winkten und Louie anfeuerten; und 120 japanische Soldaten, die in zwei Kolonnen aufgestellt waren und ihre Formation öffneten, um Louie durchzulassen. Louie rannte über den Platz, an dem ihn einst Zäune und Gitter festgehalten hatten und wo ein Mann mit schwarzen Augen ihn bis in den letzten Winkel seiner Seele unbarmherzig verfolgt hatte. Aber die Lagergebäude, ebenso wie der Bird, waren schon längst verschwunden. Es gab keine Spur mehr von ihnen hier – im Klang der Stimmen, im fallenden Schnee und in der Seele des alten, frohen Mannes, der rannte.
|461| ANHANG
|463| Dank
I ch bin eine einfachere Hauptfigur als Seabiscuit«, sagte Louie einmal zu
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